05.09.2016, 15:00
Hallo,
es sollte im Titel eigentlich heißen "Wie viel Sinn macht ein neutraler Frequenzgang, optimales Abstrahlverhalten beim aktuellen Musikmaterial?", war aber zu lang - heul
Der Titel mag für den einen oder anderen etwas provokant klingen, es soll hier aber um eine ernsthafte Diskussion um FG/Abstrahlverhalten und dem zur Verfügung stehenden Musikmaterial gehen. Sorry schon mal für das viele Bla, Bla am Anfang, wollte aber ein bisschen weiter ausholen um meine Motivation klarer zu machen.
Werde versuchen meine Hörerlebnisse so gut es geht mit Messungen zu begründen. Bei den Klangurteilen müsst ihr mir einfach vertrauen (habe jedenfalls kein Interesse daran zu flunkern)
Bin nun seit ein paar Jahren dabei mir meinen optimalen (ich sage mal bewusst nicht Referenz ;-)) Standlautsprecher zu entwickeln - etliche Chassis-Kombinationen, verschiedene Fronten, Chassis-Anordnungen,.... liegen schon hinter mir.
Aktuell steht eine 3-Wege TL mit Pseudo-D'Appolito mit 160cm Höhe und 30cm verrundeter Front (TL-160) bei mir im Raum.
Gefühlt tausend mal war der LS schon fertig (z.T. schon mit verlöteten Weichen) um dann doch wieder hörtechnisch in Ungnade zu fallen.
Was ist das Problem? Bestimmt 40% meines Musikmaterials (meist Jazz und Metal, etwas Soul, Folk und Indie) weist Stellen auf bei denen sich der Klang regelrecht ins Ohr frisst. Oft sind Stimmen, Trompeten, verzerrte Gitarren oder Pianoanschläge unangenehm aggressiv.
Musik hören heißt in diesem Fall bei Lautstärken >90dB, bei angenehmer Zimmerlautstärke treten die beschriebenen Phänomene nicht bis kaum auf.
Klar, die nahe liegende Erklärung wäre, dass ich keine Ahnung von der LS-Entwicklung habe und es deshalb Kacke klingt. Denke aber so einfach ist es nicht (sonst würde ich hier nicht schreiben...).
Meine Behauptung wäre, dass in sehr vielen Studios einfach keine optimalen Monitore stehen und standen (Stichwort z.B. BBC-Senke) und deshalb ein großer Teil des Musikmaterials auf sehr gut abstrahlenden LS an vielen Stellen viel zu prägnant klingt.
Wie komme ich dazu? Nun bei der Entwicklung meines LS habe ich schon oft ein messtechnisch gutes Abstrahlverhalten erreicht, das aber klanglich im Langzeittest nicht überzeugen konnte, aufrund der oben beschriebenen Aggressivität.
Diese Aggressivität tritt bei meinem Referenz-Kopfhörer, ein Beyerdynamic DT990, überhaupt nicht zu Tage. Achtung: Referenz im Sinne von persönlicher Präferenz, die das meiste Musikmaterial für meine Ohren (aber z.B. auch für die meines Kumpels) "optimal" darstellt. Zugegeben der Kopfhörer dickt unten zu sehr auf, die oberen Höhen sind etwas zu präsent und der Klang schmeichelt fast zu sehr. Behält man dies aber im Hinterkopf hat man, denke ich, eine recht gute Referenz.
Bsp1: TL-160 (TT Dayton 2xRS-225-8, MT 2xWF118WA02, HT 27TBCD symmetrische Anordnung) Trennung 220Hz 12dB-LR, 1500Hz 24dB-LR
Horizontales Abstrahlverhalten deg0-90:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27859]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27859)
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27864]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27864)
Das vertikale Abstrahlverhalten sollte ebenfalls ziemlich gut sein, da TT/MT und MT/HT tief getrennt wurde. Wegen der Größe des LS ist das vertikale Abstrahlverhalten etwas schwer zu bestimmen. Hier eine Weichenversion mit 1,7 kHz 24dB Trennung mit deg0-5-10-15:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27855]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27855)
In der Simu (mit realen Chassis-Messungen) MT-HT 1500Hz 24dB-LR sieht das dann wie folgt aus:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27856]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27856)
Würde behaupten ein messtechnisch guter LS - Ausklingen, Sprungantwort, Gruppenlaufzeit, Phasenlage und Klirr liegen ebenfalls voll im grünen Bereich.
Dennoch hat die Weiche den Langzeittest nicht bestanden.
Bsp2: TL-160 (TT Dayton 2xRS-225-8, MT 2xWF118WA02, HT 27TBCD symmetrische Anordnung) Trennung 220Hz 12dB-LR, 2300Hz 12dB-LR
Horizontales Abstrahlverhalten deg0-90:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27857]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27857)
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27865]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27865)
Das vertikale Abstrahlverhalten ist mit einer 12dB-LR um 2,3kHz bei einer D'Appolito Anordnung natürlich nicht optimal.
In der Simu (mit realen Chassis-Messungen) MT-HT 2300Hz 12dB-LR sieht das dann wie folgt aus:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27858]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27858)
Alle anderen Daten sind ähnlich gut oder besser (z.B. Gruppenlaufzeit) als bei der 24dB-LR Trennung. Durch das schlechtere Abstrahlverhalten würde man erwarten, dass diese Version schlechter klingt die 24dB-LR Trennung im MT-HT. Aber weit gefehlt, diese 12dB-LR Version klingt deutlich angenehmer (weit weniger prägnant/aggressiv), aber immer noch prägnater als mein Referenz-Kopfhörer.
Da lag Nahe den Kopfhörer mal zu vermessen um zu sehen was den angenehmen Klang ausmacht (okay, da hätte ich auch Jahre früher draufkommen können). Dazu wurde ein Stück Pappe mit Filz beklebt und in der Mitte ein kleines Loch für das Micro geschaffen. Mit dem Filz-Pad wurde dann die Kopfhörer-Muschel abgedichtet und vermessen:
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27860]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27860)
Die Messung hat im Grunde mein Hörempfinden bestätigt, wobei die Interpretation des FG an der Ohrmuschel, wahrscheinlich nicht mit dem typischen FG eines LS aus 1m Entfernung vergleichbar ist. Hier aber scheint es zu stimmen, der Bass dickt mächtig auf plus eine ordentliche Höhenanhebung.
Das Interessante und von mir so nicht erwartete, ist die extreme 12dB Senke um 4,5kHz - diese ist wohl für den übertrieben angenehmen Klang verantwortlich.
Wenn beim Abmischen des Musikmaterials ein Monitor oder Kopfhörer zum Einsatz kommt, der den Bereich um 2-5kHz absenkt (und davon gibt es einige), muss man beim Abhören dieses wieder korrigieren, was Beyerdynamic zumindest bei diesem Modell in extremer Weise tut. Da entsteht ein Teufelskreis...
Oder im Studio wird weitgehend optimal abgemischt aber zum Abhören müssen wir die Hörempfindlichkeit bei HiFi-LS stark berücksichtigen (was des öfteren in Posts schon angeklungen ist). Was der DT990 (etwas übertrieben) exakt tut.
![[Bild: picture.php?albumid=1606&pictureid=27861]](http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/picture.php?albumid=1606&pictureid=27861)
Das würde auch erklären warum die Version mit der 12dB MT-HT Trennung angenehmer klingt als tief getrennte 24dB Version, da im vertikalen Abstrahlverhalten im Bereich der Trennfrequenz ein starker Einbruch entsteht und so im Gesamtenergie-FG dort eine leichte Senke entsteht (anders als bei der tiefen 24dB-Trennung, dort ist der Einbruch geringer und liegt deutlich tiefer).
Wie also entwickeln? Neutraler FG und beim Musikhören immer den EQ bereit halten oder aber mit bewusstem Absenken im kritischen Bereich?
Gruß Armin
es sollte im Titel eigentlich heißen "Wie viel Sinn macht ein neutraler Frequenzgang, optimales Abstrahlverhalten beim aktuellen Musikmaterial?", war aber zu lang - heul
Der Titel mag für den einen oder anderen etwas provokant klingen, es soll hier aber um eine ernsthafte Diskussion um FG/Abstrahlverhalten und dem zur Verfügung stehenden Musikmaterial gehen. Sorry schon mal für das viele Bla, Bla am Anfang, wollte aber ein bisschen weiter ausholen um meine Motivation klarer zu machen.
Werde versuchen meine Hörerlebnisse so gut es geht mit Messungen zu begründen. Bei den Klangurteilen müsst ihr mir einfach vertrauen (habe jedenfalls kein Interesse daran zu flunkern)
Bin nun seit ein paar Jahren dabei mir meinen optimalen (ich sage mal bewusst nicht Referenz ;-)) Standlautsprecher zu entwickeln - etliche Chassis-Kombinationen, verschiedene Fronten, Chassis-Anordnungen,.... liegen schon hinter mir.
Aktuell steht eine 3-Wege TL mit Pseudo-D'Appolito mit 160cm Höhe und 30cm verrundeter Front (TL-160) bei mir im Raum.
Gefühlt tausend mal war der LS schon fertig (z.T. schon mit verlöteten Weichen) um dann doch wieder hörtechnisch in Ungnade zu fallen.
Was ist das Problem? Bestimmt 40% meines Musikmaterials (meist Jazz und Metal, etwas Soul, Folk und Indie) weist Stellen auf bei denen sich der Klang regelrecht ins Ohr frisst. Oft sind Stimmen, Trompeten, verzerrte Gitarren oder Pianoanschläge unangenehm aggressiv.
Musik hören heißt in diesem Fall bei Lautstärken >90dB, bei angenehmer Zimmerlautstärke treten die beschriebenen Phänomene nicht bis kaum auf.
Klar, die nahe liegende Erklärung wäre, dass ich keine Ahnung von der LS-Entwicklung habe und es deshalb Kacke klingt. Denke aber so einfach ist es nicht (sonst würde ich hier nicht schreiben...).
Meine Behauptung wäre, dass in sehr vielen Studios einfach keine optimalen Monitore stehen und standen (Stichwort z.B. BBC-Senke) und deshalb ein großer Teil des Musikmaterials auf sehr gut abstrahlenden LS an vielen Stellen viel zu prägnant klingt.
Wie komme ich dazu? Nun bei der Entwicklung meines LS habe ich schon oft ein messtechnisch gutes Abstrahlverhalten erreicht, das aber klanglich im Langzeittest nicht überzeugen konnte, aufrund der oben beschriebenen Aggressivität.
Diese Aggressivität tritt bei meinem Referenz-Kopfhörer, ein Beyerdynamic DT990, überhaupt nicht zu Tage. Achtung: Referenz im Sinne von persönlicher Präferenz, die das meiste Musikmaterial für meine Ohren (aber z.B. auch für die meines Kumpels) "optimal" darstellt. Zugegeben der Kopfhörer dickt unten zu sehr auf, die oberen Höhen sind etwas zu präsent und der Klang schmeichelt fast zu sehr. Behält man dies aber im Hinterkopf hat man, denke ich, eine recht gute Referenz.
Bsp1: TL-160 (TT Dayton 2xRS-225-8, MT 2xWF118WA02, HT 27TBCD symmetrische Anordnung) Trennung 220Hz 12dB-LR, 1500Hz 24dB-LR
Horizontales Abstrahlverhalten deg0-90:
Das vertikale Abstrahlverhalten sollte ebenfalls ziemlich gut sein, da TT/MT und MT/HT tief getrennt wurde. Wegen der Größe des LS ist das vertikale Abstrahlverhalten etwas schwer zu bestimmen. Hier eine Weichenversion mit 1,7 kHz 24dB Trennung mit deg0-5-10-15:
In der Simu (mit realen Chassis-Messungen) MT-HT 1500Hz 24dB-LR sieht das dann wie folgt aus:
Würde behaupten ein messtechnisch guter LS - Ausklingen, Sprungantwort, Gruppenlaufzeit, Phasenlage und Klirr liegen ebenfalls voll im grünen Bereich.
Dennoch hat die Weiche den Langzeittest nicht bestanden.
Bsp2: TL-160 (TT Dayton 2xRS-225-8, MT 2xWF118WA02, HT 27TBCD symmetrische Anordnung) Trennung 220Hz 12dB-LR, 2300Hz 12dB-LR
Horizontales Abstrahlverhalten deg0-90:
Das vertikale Abstrahlverhalten ist mit einer 12dB-LR um 2,3kHz bei einer D'Appolito Anordnung natürlich nicht optimal.
In der Simu (mit realen Chassis-Messungen) MT-HT 2300Hz 12dB-LR sieht das dann wie folgt aus:
Alle anderen Daten sind ähnlich gut oder besser (z.B. Gruppenlaufzeit) als bei der 24dB-LR Trennung. Durch das schlechtere Abstrahlverhalten würde man erwarten, dass diese Version schlechter klingt die 24dB-LR Trennung im MT-HT. Aber weit gefehlt, diese 12dB-LR Version klingt deutlich angenehmer (weit weniger prägnant/aggressiv), aber immer noch prägnater als mein Referenz-Kopfhörer.
Da lag Nahe den Kopfhörer mal zu vermessen um zu sehen was den angenehmen Klang ausmacht (okay, da hätte ich auch Jahre früher draufkommen können). Dazu wurde ein Stück Pappe mit Filz beklebt und in der Mitte ein kleines Loch für das Micro geschaffen. Mit dem Filz-Pad wurde dann die Kopfhörer-Muschel abgedichtet und vermessen:
Die Messung hat im Grunde mein Hörempfinden bestätigt, wobei die Interpretation des FG an der Ohrmuschel, wahrscheinlich nicht mit dem typischen FG eines LS aus 1m Entfernung vergleichbar ist. Hier aber scheint es zu stimmen, der Bass dickt mächtig auf plus eine ordentliche Höhenanhebung.
Das Interessante und von mir so nicht erwartete, ist die extreme 12dB Senke um 4,5kHz - diese ist wohl für den übertrieben angenehmen Klang verantwortlich.
Wenn beim Abmischen des Musikmaterials ein Monitor oder Kopfhörer zum Einsatz kommt, der den Bereich um 2-5kHz absenkt (und davon gibt es einige), muss man beim Abhören dieses wieder korrigieren, was Beyerdynamic zumindest bei diesem Modell in extremer Weise tut. Da entsteht ein Teufelskreis...
Oder im Studio wird weitgehend optimal abgemischt aber zum Abhören müssen wir die Hörempfindlichkeit bei HiFi-LS stark berücksichtigen (was des öfteren in Posts schon angeklungen ist). Was der DT990 (etwas übertrieben) exakt tut.
Das würde auch erklären warum die Version mit der 12dB MT-HT Trennung angenehmer klingt als tief getrennte 24dB Version, da im vertikalen Abstrahlverhalten im Bereich der Trennfrequenz ein starker Einbruch entsteht und so im Gesamtenergie-FG dort eine leichte Senke entsteht (anders als bei der tiefen 24dB-Trennung, dort ist der Einbruch geringer und liegt deutlich tiefer).
Wie also entwickeln? Neutraler FG und beim Musikhören immer den EQ bereit halten oder aber mit bewusstem Absenken im kritischen Bereich?
Gruß Armin



