Dayton TQWT - Mein Beitrag zum Contest 2010

[Eismann]

Das Konzept: kompakter Stand-Leisesprecher mit Tiefgang

Der Lautsprecher „ DaytonTQWT“ wurde mit der Absicht entwickelt, längere Musiksessions entspannt hören zu können. Nicht zuletzt wegen der etwas bassarmen Aufzeichnungsnorm früherer US-Schallplatten sollte diese Box eher warm abgestimmt sein.
Außerdem sollte das Format zwar eine Standlautsprecher werden, aber nicht allzu wuchtige Abmessungen haben. Auf Robustheit und hohe Lautstärken wurde weniger geachtet.
Besonderheiten
- TQWT-Schallführung
- 2 Wege mit akustischen 18db-Filtern und Bafflestep-Korrektur
- Gehäuse in der Neigung verstellbar, um Phasenprobleme bei verschiedenen Abhörsituationen zu minimieren.
- Biwiring und außenliegendes Weichenfach im Boden der Box, um nach der Gehäusefertigstellung noch Klanganpassungen sowie Aktivbetrieb zu realisieren.
Auswahl der Chassis
Es kommen folgende Lautsprecher zum Einsatz:

Tiefmitteltöner Dayton RS180S8
Hochtonkallotte Seas Noferro 900

Simulationen
Für eine Schallwand 80 x 25cm wurden mit dem Programm Edge optimale Positionen für Tieftöner und Hochtöner gesucht. Allerdings musste der Tieftöner nach oben weil ja das eine einfach gefaltete TQWT immer benötigt. So entstand die asymetrische Anordnung mit dem Tiefmitteltöner ganz in der Ecke. Der Hochtöner liegt aus optischen Erwägungen genau darunter, nur seine Höhe wurde wiederum durch Edge optimiert.


Hier ist noch die Variante ohne Fasen. Durch einige Simulationen mit Boxsim habe ich mich später entschlossen, die Oberkante und die Seiten 2cm stark abzuschrägen. Da der Tiefmitteltöner aber schon recht knapp am Gehäuserand war, mussten an dieser Stelle die Schrägen unterbrochen werden. So entstand die eigenwillige Schallwandform:

Eins gleich vorweg: für die Oberfläche möchte ich keine Punkte...da war ein Fachmann dran. Von mir ist also die Formgebung der Fase.



Gruß Eismann
(gleich geht's im nächsten Post weiter)

[Eismann]

Weiter gehts...

Mit dem Martin King Worksheet für ML-TQWT’s wurde die Geometrie der Schallführung so optimiert, dass die zu erwartenden Portresonanzen deutlich leiser sind als der Hauptschall aus der Vorderseite des Tiefmitteltöners. Die Linelänge ist relativ kurz; bei einem hinten liegendem Port kommt man bei 30cm Gehäusetiefe + 150cm Linelänge im Gehäuse auf einen Laufzeitdifferenz von etwa 180cm. Das entspricht einer TML-Resonanz von

344[m/s] /(1,8m *4) = 47,7Hz


Durch die Rohrabstimmung zeigt die Simulation von Martin King jedoch eine Abstimmung bei ca 30Hz. In dieser Konfiguration wurde noch das erste Rohr mit RG50-Qualität eingesetzt.



So gesehen ist die Line eigentlich zu kurz und die Schallführung eine Mischung aus Bassreflex und TQWT.

Eismann

[Eismann]

Zunächst wurden die Chassis im eingebauten Zustand gemessen (Impedanz und Frequenzgang) Diese Daten habe ich in BoxSim importiert und dann verschiedene Lösungen ausgearbeitet.

Einziger Fehler war eine nicht gemessene Phasenlage, da ich mit JustOct messe.
Als Favoriten entpuppten sich im Laufe der Zeit 2 Weichenentwürfe:
- eine „puristische“ mit nur 4 Bauteilen und eine
- „genaue“ mit 9 Bauteilen. Die puristische Version habe ich ca ½ Jahr gehört, bis sie mir zu „analytisch“ erschien. Für die Freunde der trockenen Abstimmung mit leicht ansteigendem Frequenzgang empfehle ich sie trotzdem:

Einen besseren Impedanzverlauf und ein ehrlicheres Dynamikverhalten versuchte ich dann mit 2 Filtern 3. Ordnung. Mit Dynamikverhalten meine ich , dass plötzliche Laute Passagen nicht höhenlastig klingen und der Bass mitzieht. Ich mußte daher den HT "müder aussehen lassen". Die schließlich verwendete Variante erzielte genau diese Wirkung und sieht so aus:

Der Vorwiderstand am Hochtöner ist zwar bei mir ein Keramikwiderstand, MOX hätte aber wegen der kleineren Induktivität weniger Höhenverlust.
Boxsim sagt übrigens einen starken Phaseneinbruch bei dieser Variante voraus. Die Messung sah aber in dieser Polung korrekt aus. Möglicherweise liegt die Erklärung in den unbekannten Schallentstehungsorten der beiden Chassis. Außerdem hört man in der Regel aus 15° von oben...da sieht es auch in Boxsim wieder besser aus.

Mit diesem Weichenentwurf habe ich dann am lebenden Baby weiter entwickelt. Das Ergebnis (50cm Entfernung exakt zwischen HT und TMT; Ht wird dadurch nicht genau auf Achse gemessen):

Beim endgültigen Aufbau der Weiche kommt es mir darauf an, dass
- die Trägerplatte nicht größer als das Weichenfach ist. Daher werden keine „High End“-Bauteile verwendet.
- jede Spule eine andere Achsenausrichtung hat. Dadurch ist die magnetische Wechselwirkung zwischen den Spulen am kleinsten.
- die Lautsprecherkabel vom Verstärker möglichst einfach per 4mm-Buchse angeschlossen werden können.
Daher erhält die Weiche 2 Buchsen für diese Anschlüsse und eine 4-er Lüsterklemme für die Kabel zum Biwiring Terminal.

Hier ist die Ansicht der Box von unten, noch in der Version vor dem Abschrägen der Schallwand in Weiche Version uralt. Neben Weiche und Biwiring-Terminal ist auch die Stellschraube für variable Neigung zu erkennen. Die Lautsprecherkabel vom Verstärker werden später in die 4mm-Buchsen der Weiche eingesteckt.

Die exakte Weiche sieht jetzt so aus:


Es folgt der Vergleich der Messungen aus 50cm und 1m Distanz. Diese Messungen sind kalibriert und deuten auf den relativ schwachen Wirkungsgrad hin. Für einen 30m² Raum empfehle ich 2 x 100W sin als Verstärker.

Bei der Messung hatte ich glücklicherweise einen Raum, der gemäß DIN18049 bedämpft ist. Die beiden Boxen standen in je einer Ecke mit 120cm seitlichen Wandabstand und 86cm Abstand Schallwand - Zimmerrückwand

[Eismann]

Als ich merkte, dass die Dinger genauso geil klangen, wie sie sich messen, dachte ich mir "jetzt mit Autolack veredeln"
Leider habe ich aber kein Händchen für Lack und Oberflächen. Also einen Freund und Lackierer damit beauftragt. Hat mich im Freundschaftangebot nochmal schlappe 180 Euro gekostet.

Wen es interessiert: die Farbe heißt Nissan "Cafe Latte".








...das hatte übrigens was , so im Garten im OpenAir-Modus ohne Raummoden, jedoch mit Rückwandunterstützung..Leider waren die Außengeräusche für eine Messung zu laut. Fugzeuge, Vögel, Menschen, Blätterrascheln.

So, das wars. Bin jetzt mal gespannt.

Gruß aus Köln
Eismann

[Christoph Gebhard]

Hallo Eismann,

das scheint von vorne bis hinten eine runde Sache zu sein :thumbup:

Durch die asymmetrisch, edge-optmierte Einbaulage wirst du bei Pico schon mal einen Bonus-Sympathie-Punkt ergattern

Gruß, Christoph

[holly65]

Hallo Eismann,

sehr schönes Konzept, gefällt mir - Glückwunsch.:ok::prost:

Also einen Freund und Lackierer damit beauftragt. Hat mich im Freundschaftangebot nochmal schlappe 180 Euro gekostet.

Das klingt für mich ein wenig nach "gewerblichem" Helfer, auch wenn er dein Freund ist.
Wenn ich die neuen Contestbedingungen richtig verstanden habe ist das streng genommen nicht zulässig.

Durch die asymmetrisch, edge-optmierte Einbaulage wirst du bei Pico schon mal einen Bonus-Sympathie-Punkt ergattern

Wie war das mit der asymetrischen Abstrahlung..........

grüsse

Karsten

[Eismann]

Danke für die Blumen.

@Gast : Leider kann man die Sheets nicht mehr herunterladen.

@Christoph Gebhard: naja, ich habe das Ding nicht in wenigen Wochen durchgezogen. Die vielen beruflichen und privaten Unterbrechungen führten zu vielen Denkpausen. Die Gehäuse entstanden schon Sommer 2008, zunächst ohne die Absicht auf einen Contest. In 2009 kam der Entschluss die Teile doch nicht in meinem Wohnzimmer zu betreiben und ich stand raummäßig voll auf dem Schlauch. Und ich baute erstmal meine Messbox vernünftig auf. Die exakte Fertigstellung (insbesondere Weiche) kam erst 2010. So einen Zeitablauf könnte sich kein Profi erlauben. Immerhin habe ich mir viel Zeit zum Hören gegönnt.

@holly65: freut mich, das es auch Dir gefällt :yahoo:.
Tja, die Bedenken mit dem Gewerblichen Anteil...hatte ich auch. Andererseits sahen die Boxen in der ersten Version ohne Schrägen und in "handpinselweiss" richtig langweilig und vom Finish ziemlich "gebastelt" aus. Ich werde nun jetzt einfach den ehrlichen Weg gehen und den Profianteil einfach zugeben. Wie gesagt: für das Finish will ich keine Punkte.

Von mir ist definitiv "nur" der Gehäuseentwurf und - bau, die Auswahl der Chassis, der Weichenentwurf, die Bedämpfung und die Arbeit mit den Schrägen. Und ein Teil der Spachtelarbeit. Die Lamellos kamen nämlich unter der Schräge wieder zum Vorschein....:o

Das Schleifen, Füllspachteln und Lackieren hat der Profi gemacht. Mit der von mir gewünschten Farbe.

Gruß Eismann

[manollo139]

Hallo, sehr geile LS gefallen mir vorallem Optisch sehr gut.
Hammer Oberfläche.
Sehr schöne Rundungen in der Phase bei den TMTs.

Wie kommt es denn zu dem 100hz einbruch?
Liegt dort eine Raummode?

Oder ist das ne sache am LS selbst?



Gruß
Manuel

[Eismann]

Hi manollo139,

im Nahfeld ist von dem Einbruch nichts mehr zu sehen. Also sicherlich die Reflektion der Rückwand.

Passt rechnerisch auch:
344/2= 172cm (hier sorgt die halbe Wellenlänge für eine Auslöschung.)
172cm / 2 = 86cm. Das ist der Abstand Schallwand - Rückwand. Genauso hatte ich sie immer aufgestellt.

Gruß Dietmar

[manollo139]

Ja dann ist das doch wirklich richtig gut!
Gefällt mir!

[Eismann]

Mittlerweile habe ich die Kosten mal nachgerechnet:

Die Chassis kosten insgesamt 146 Euro.
Das Holz kostet bei einem m²-Preis von 12,45 36 Euro.
Die Weichen und der Rest kommen ca 123 Euro
Das macht summa sumarum 305 Euro ohne Spachtel und Farbe.


und jetzt noch ein Bild aus 2008 - sozusagen die Eigenbau-pur Version:

Gruß Eismann

[manollo139]

Wow da wirken die aber klobig!
Krass was so nen paar Phasen bringen!

Und evtl noch etwas die andere farbe.

[Eismann]

jo, das hast Du schon recht.
wenn du beim Musikhören immer nur 2 glatte weiße Bretter mit je 2 Schwarzen Löchern siehst, wirkt die Optik eher langweilig.

Aber ehrlich: auf die Phasen bin ich gekommen, weil ich nochmal mit Boxsim was probiert habe. Einige Huckel in der TMT Flanke konnte ich damit beseitigen.
Und dann erst habe ich mir die abgerundeten Unterbrechungen ausgedacht- bin auch selbst überrascht über die Wirkung.

Gruß Eismann

[ZeusExitus]

Schön gemacht, deine Lautsprecher. Da werd ich wohl ganz schön zu knaubeln haben, um beim Contest nicht ganz abzustinken

Grüße Marc

[zeppi]

Schön gemacht, deine Lautsprecher. Da werd ich wohl ganz schön zu knaubeln haben, um beim Contest nicht ganz abzustinken

Grüße Marc

Häh? Man, das ist alles nur Show - wie vor 'nem Boxkampf!

Geboxt wir dann auf dem Contest.

Ausserdem wollen wir alle abstinken, weil es dann die Mundorf-Grabbelkiste gibt!

Und aus eigener Erfahrung kann ich Dir sagen, dass man auch mit super preisgünstigen Chassis bestehen kann.

Ausserdem hast Du mein Kiste noch nicht gesehen. Die ist ne ganz schöne Zicke. Oder ich bin zu doof zum messen. Oder beides!

Gruß

zeppi

[ZeusExitus]

Hehe, ich wusste das sowas von dir kommt, zeppi

Ich freu mich auf jeden Fall diese Lautsprecher hören zu dürfen. Da bin ich echt gespannt wien transilvanischer Seeteufel

Darf man fragen, was du denn da so verzapfst, zeppi? Oder ist das noch geheim?

Grüße Marc

[Eismann]

Schön gemacht, deine Lautsprecher. Da werd ich wohl ganz schön zu knaubeln haben, um beim Contest nicht ganz abzustinken

Warten wir erstmal die Liveüberraschungen ab. Da wäre erstmal der Raum, den ich mit eigenen Boxen noch nicht gehört habe. Und mein Geschmack (wärmer abgestimmt) könnte ebenfalls abgewertet werden. Aber einmal ist immer das erste Mal..

Gruß
Eismann

[Eismann]

Ausserdem wollen wir alle abstinken, weil es dann die Mundorf-Grabbelkiste gibt!

der war gut!...:yahoo: ...auch ein Standpunkt. Ich hatte früher immer in
ner Legokiste gegrabbelt. Jetzt macht das mein Sohn..

Gruß Eismann

[Eismann]

NAch dem ich die Boxen in verschiedenen Räumen mit unterschiedlichen Personen gehört habe, bekam ich dementsprechend unterschiedliches Feedback.
Sobald man die TQWTs auf etwas mehr Entfernung hört, werden die Höhen doch etwas schwach.

Und dann habe ich wiederum in Boxsim experimentiert und herausgefunden, dass man den Energiefrequenzgang noch verbessern kann.
Also:die HTs werden ein wenig lauter. Dazu vergrößere ich den 1. Kondi von 3 auf 3,3µF und den Serienwiderstand von 10 verkleinere ich auf 8,2 Ohm.

Im Tiefpass sitzt im Parallelzweig ein 1,5 Ohm Widerstand, der das Knie etwas glättete. Den nehme ich jetzt raus und setzte stattdessen einen solchen Widerstand (0,47Ohm) im Hochpass des HTs ein. Dort ist zwar kein Knie, aber dadurch wird der Buckel im EFG flacher und bei 3KHz ist eine kleine Senke fast weg.
Die Zuhörer brachten ihr eigenen Schöpfungen auch mit und faselten da etwas von "Bei meinen Boxen ist da noch so ein Vorhang... :denk::mad: ". Naja, man spricht halt feinen HIFI-Jargon .

Hier nutze ich jetzt mal wieder das Feature mit austauschbaren Weichen und wenn es mir nicht gefällt, kommen die alten Weichen wieder dran. Ist ja easy.
Im nächsten Post (also heute Abend) bringe ich dann mal ein paar Simus.
Messen geht erst wieder zu Anfang Oktober..mein Raum wird grund saniert.

Gruß Eismann

[Eismann]

den Zustand mit der V2.-Weiche zeigen die gestrichelten Linien.
Vertraut man den sonstigen Einstellungen der beiden Chassis, dann verbessert sich der Energiefrequenzgang und im Trennbereich geht die Senke weg.
"Der Vorhang wird damit zur Seite geschoben."
Und nun sind 2dB mehr Pegel im Ht-Bereich.

Werde in dieser Woche die Weiche zusammenstellen. Die Parallelbestückungen sind kein Kunstgriff, sondern noch vorhandene Bestände...:o.
Und dann schaumermal

Gruß
Eismann