Moin,
ich bin ja immer dafür, Probleme an der Wurzel anzugehen, anstatt nachher irgendwelche Maßnahmen hineinzufrickeln. Wobei die Kondensatoren gegen das geerdete Gehäuse prinzipiell keine schlechte Idee ist.
Also schauen wir uns das Problem doch einmal an. Ein ClassD-Amp erzeugt prinzipiell Störaussendungen auf zweierlei Arten.
1.) durch das Prinzip, die PWM, selber. Das ist, gerade bei den Leistungen, eine recht breitbandige Angelegenheit, bis in den unteren MHz-Bereich ist da nennenswert Leistung vorhanden
2.) durch Resonanzen, die beim schnellen Schalten der MOSFETs an Kapazitäten und Induktivitäten entstehen
Störung 1.) an der Wurzel zu beseitigen ist nicht zielführend, denn das würde bedeuten, auf die PWM zu verzichten

. Also muss man hier filtern. Wegen der langen Wellenlängen braucht diese Störung ziemlich lange Leitungen, um überhaupt effektiv als Feld abgestrahlt zu werden, also die Lautsprecher-, NF- und Netzleitungen. Über die NF- und Netzleitungen können andere Geräte natürlich auch direkt gestört werden.
Also heißt es: filtern, und zwar möglichst früh. Der größte Teil ist Differential Mode (bzw. in EMV-Deutsch: symmetrisch), das heißt es fließt ein auf den Leitungen entgegengesetzt gerichteter Strom (so wie man das kennt). Dazu reicht es, normale Tiefpass-Filter zwischen Signal und Masse bzw. L-N einzusetzen. Im NF-Teil ist das bevorzugt ein RC-T-Glied. Ich gehe jetzt mal davon aus, dass am LS-Ausgang und im Netzeingang die schon vorhanden sind, alles andere würde mich doch sehr überraschen. Die Filter kann man noch pimpen, indem man Kondensatoren mit niedriger Induktivität dazuschaltet (klappt im Netzfilter aber nicht, weil es die dort notwendigen Sicherheitskondensatoren nicht mit geringer Induktivität gibt). Was von dieser symmetrischen Störung übrig bleibt, bekommt man durch Verdrillen der Kabel weg.
Ein geringerer Anteil der Störung ist Common Mode (unsymmetrisch), d. h. der Strom fließt auf den Leitern in die gleiche Richtung. Da hilft kein Verdrillen, sondern nur stromkompensierte Drosseln bzw. Klappferrite und Kondensatoren gegen Erde. Klappferrite sind in dem Frequenzbereich ein Problem, die wirken da noch nicht genügend, und mit StroKos im Audiopfad kenne ich mich nicht aus; im Netzfilter wird aber eine drin sein.
Ich lehne mich aber jetzt mal weit aus dem Fenster und behaupte, dass Störung 1.) nicht das Problem ist. Der beeinflusste Radioempfang deutet eher auf Störungen im höheren MHz-Bereich (> 10 MHz, eher in Richtung 100 MHz) hin. Und die entstehen in so einer Schaltung durch Resonanzen. Die entstehen überall dort, wo schnell geschaltet wird, und das ist zum Einen an den MOSFETs, zum anderen aber auch an den Gate-Treibern (auch MOSFETs).
Nehmen wir zuerst die großen MOSFETs: das sind in der Schaltung bedrahtete Bauteile, mit einer ziemlich hohen Induktivität. Je nach Schaltzustand existieren zwei Serienresonanzkreise: im leitenden Zustand die Induktivität des MOSFETs und die Speicherkondensatoren, im nichtleitenden die Induktivität. die Speicherkondensatoren
und die Drain-Source, Drain-Gate und Gate-Source Kapazitäten. Die drei zusammen sind in Reihe zu den Speicherkondensatoren geschaltet, dabei aber um Größenordnungen kleiner, und dementsprechend bestimmen diese die Resonanzfrequenz. Der kritische Fall ist also das Ausschalten des MOSFETs, weil dann hochfrequente Störungen entstehen. Die Abhilfe ist einfach: parallel zu jedem MOSFET einen RC-Snubber möglichst nah dran platzieren. Der Kondensator erhöht die Kapazität und senkt damit die Resonanzfrequenz (Bingo!), der Widerstand dämpft die Resonanz und verringert damit die Amplitude (Bingo!).
Das gleiche gilt bei den Gate-Treibern. Allerdings ist es da nicht so einfach, einen RC-Snubber hinzusetzen, es gibt aber eine ziemlich einfache Lösung, die in keinem EMV-Buch drin steht: den Abblockkondensator scheiße machen. Ja, im Ernst. Irgendwie hat sich eingebürgert, ICs mit den möglichst teuersten Kondensatoren abzublocken, dabei haben schlechte Kondensatoren einen riesigen Vorteil: ihr interner Verlustwiderstand ist so hoch, dass etwaige Resonanzen von diesem einfach bedämpft werden.
Und jetzt noch ein ganz fieser Trick. Um die Resonanzen möglichst wenig anzuregen, gibt es eine ebenfalls sehr einfache Möglichkeit: den Schaltvorgang verlangsamen. Dazu setzt man einfach einen kleinen Widerstand (bis 10 Ohm) in Reihe zu den Gates. Netterweise dämpft der dann noch den Schwingkreis bestehend aus den Induktivitäten des Gate-Treibers und der Gate-Source/Drain-Kapazität.
Ich habe zu dem Amp einen Schaltplan gefunden, keine Ahnung ob der stimmt:
https://www.circuitsonline.net/forum/view/137196
Nehmen wir an der ist korrekt, dann ist nur eine dieser drei Maßnahmen getroffen worden, und die wahrscheinlich unabsichtlich: der beschissene Kondensator (C5, C7) am Gate-Treiber-IC. Alles andere fehlt.
Leider ist mein Niederländisch nicht gut genug um das genauer zu ergründen, aber ich würde als kleinen Versuch enifach mal einen Snubber probieren, Größenordnung 100 nF und 1 Ohm, parallel zu jedem MOSFET. Der Widerstand in der Gate-Leitung ist knifflig, weil der die Schaltzeiten verlangsamt, und dann könnten die Totzeiten nicht mehr passen. Das gibt dann Bruch. Die Totzeiten kann man aber beim IRS2092 einstellen, glaube ich.