» Veranstaltungen
» Navigation
» über uns
|
-
Schalldämmung von Gehäusen
Hallo,
ich habe ja mit meinem Vortrag auf dem Pappenbattle einiges an Diskussionen ausgelöst (das war erhofft) und Verunsicherung verbreitet (das war befürchtet). Deswegen hier noch mal die wichtigsten Punkte.
Als allererstes die wichtigste Literaturquelle zum Thema: http://www.bbc.co.uk/rd/publications/rdreport_1977_03
Worum geht es? Mit Schalldämmung versucht man, den Schalldurchtritt aus dem Inneren des Lautsprechergehäuses nach außen zu verringern. Das gleiche Thema hat man auch in der Bauakustik, allerdings geht es da meistens um tiefere Frequenzen.
Ich sträube mich sehr gerne gegen dusselige Benennungen, und Schalldurchtritt gehört dazu. Da kommt nicht Schall aus dem Gehäuse - das ist kein Quantentunnel - sondern die Wände bewegen sich und strahlen selber Schall ab.
Womit wir dann schon beim Kern des Problems sind: warum schwingen die Wände, und wie bekommt man das weg?
Die Antwort auf die erste Frage ist das erste Jochen'sche Gesetz:
was schwingen will, das schwingt*.
Die Antwort auf die zweite Frage ist umfangreicher. Zuerst muss man die Krafteinleitung in das Gehäuse betrachten:
1.) der Gehäuseinnendruck
2.) die Bewegung der Membran(en) selber
Der Punkt 1.) ist im Grunde proportional zur Membranauslenkung, deswegen konstant bis zur Resonanzfrequenz, darüber mit 12 dB/Oktave abfallend; allerdings muss man hier auch noch die Gehäusemoden betrachten, deswegen ist die Dämpfung derselben auch wichtig. An dieser Krafteinleitung lässt sich, außer bei offenen Schallwänden (streng genommen auch bei denen nicht), nichts ändern.
2.) ist das dritte Newton'sche Gesetz. Eine Kraft in die eine Richtung erzeugt eine betragsmäßig gleiche Kraft in die Gegenrichtung. Dieser Krafteinleitung kann man durch eine elastische Verschraubung teilweise beikommen.
So viel zur Einleitung, im nächsten Beitrag werde ich auf die Grundlagen der Plattenmechanik eingehen.
*Variante: was resonieren will, das resoniert
-
Hallo Jochen,
Zitat:
Ich sträube mich sehr gerne gegen dusselige Benennungen, und Schalldurchtritt gehört dazu.
Es wird wohl noch weitere dusseligen Benennungen geben. Woher kommen diese?
Sehr oft von geschriebenen Seiten, die in diversen Zeitschriften zu lesen sind. ( da war vor Jahren mal ein Artikel in einer der verdächtigen Blätter ).
Ich kenne da einige von und bin auch von denen beeinflusst worden.
Es wäre schön, manche Märchen mal aufzuklären.
Ich würde mich freuen:ok:
LG
Kay
-
Hallo Jochen,
leider musste ich beim Battle zu früh los. Finds sehr nett, das Thema hier nochmal für die Allgemeinheit darzustellen - ich bin mir sicher, daß ich einiges dazulernen kann.
LG, Manfred
-
Teil 2 - mechanische Impedanzen
Der Ingenieur an sich macht es sich immer gerne einfach. In unserem Fall z. B. beschäftigt er sich nicht mit komplizierten Differentialgleichungen, sondern bildet elektrische Analogien. Außerdem hat er eine natürlich Abneigung gegenüber mehrdimensionalen Problemen, sondern reduziert diese auf wenigstens 1, wenn nicht sogar 0 Dimensionen (Struktur/Profil 3D -> Platte 2D -> Stab 1D -> konzentrierte Elemente 0D). Das hilft ihm beim Verstehen des Problems.
Das macht man über qualifizierte Annahmen, clevere Vereinfachungen, und teilweise über pure Ignoranz.
Fangen wir an:
1.) in einem normalen Lautsprechergehäuse sind die Kanten jeder Wand fest eingebunden bzw. bei offenen Schallwänden lose. Daraus folgt die qualifizierte Annahme: man kann jede Platte für sich betrachten und erhält taugliche Ergebnisse (für die echte absolute Wahrheit darf man das natürlich nicht).
2.) Jetzt, wo wir nur noch eine einzige Platte betrachten (die ja an und für sich immer noch dreidimensional ist), können wir das Flächenträgheitsmoment einführen:
I_x = x*(d^3)/12
I_y = y*(d^3)/12
x und y sind Koordinaten, d ist die Plattenstärke. Man sieht, dass dieses Flächenträgheitsmoment proportional zur Stärke in der dritten Potenz ist.
3.) Das ist jetzt noch 2-dimensional, um auf 1 Dimension zu kommen, lassen wir einfach eine Dimension weg (wir ignorieren I_x) und betrachten dann nur noch 1 Stab
4.) Den kann man jetzt noch weiter reduzieren, auf 0 Dimensionen bzw. konzentrierte Elemente. Diese Elemente sind Masse, Steifigkeit und Dämpfung. Dazu gibt es folgende Formeln:
Masse m=Dichte*Volumen=Dichte*Fläche*Länge=Dichte*y*d*x (ja, hier taucht das x wieder auf)
Steifigkeit s=Elastizitätsmodul*Flächenträgheitsmodul=E*I_y=E* I_y=y*(d^3)/12
Die Dämpfung W ist genau wie die Dichte und das E-Modul eine Materialkonstante.
Im nächsten Schritt bildet der Ingenieur eine elektrische Analogie, weil er dann mit Induktivitäten, Kapazitäten und Widerständen arbeiten kann. Dazu gibt es zwei verschiedene Wege, nämlich die FU- und die FI-Analogie*. F ist dabei die Kraft, U die Spannung, I der Strom. Die FI-Analogie hat den Vorteil, dass man strukturgleiche Netzwerke bilden kann (d. h. man zeichnet Masse, Steifigkeit und Dämpfung so auf, wie sie liegen, und ersetzt die dann ganz einfach durch Kapazität, Induktivität und Widerstand), die FU-Analogie den Vorteil, dass sie intuitiver ist: Masse wird zu Induktivität (L ~ m), Steifigkeit zur inversen Kapazität (C ~ 1/s), und Dämpfung zum Widerstand (R ~ W).
Ich nehme jetzt mal die FU, weil sie für diese Betrachtung besser geeignet ist.
In dieser Analogie bilden die drei Bestandteile - Masse, Steifigkeit und Dämpfung - einen Serienschwingkreis aus Spule, Kapazität und Widerstand (d. h. in der mechanischen Ebene liegen sie parallel, in der FI-Analogie wäre es also ein Parallelschwingkreis).
Dieser Serienschwingkreis hat ein paar Grundgleichungen, die sollten bekannt sein:
f0=1/(2*pi*Wurzel(L*C))
Q=1/R*Wurzel(L/C)
Und hier einmal kurz mit den mechanischen Elementen:
f0=1/(2*pi*Wurzel(m/s))
Q=1/D*Wurzel(m*s)
Was sieht man daraus?
1.) Die Resonanzfrequenz geht hoch, wenn man die Steifigkeit erhöht
2.) Die Güte steigt, wenn man die Steifigkeit erhöht
Und jetzt schaut man sich nochmal das Flächenträgheitsmoment an, woraus folgt, dass s ~ d^3 bzw. C ~ 1/d^3. Daraus ergeben sich nämlich folgende Proportionalitäten (mit m ~ d):
f ~ d
Q ~ d^2 !!!!
Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, das 2. Jochensche Gesetz zu formulieren:
Der gesunde Menschenverstand ist der natürliche Feind von Wissenschaft
Der gesunde Menschenverstand besagt nämlich, dass dicke, steife Platten weniger schwingen. Die Wissenschaft sagt: das stimmt nicht! Es ist eher das Gegenteil der Fall.
Ich muss jetzt noch zwei Tatsachen mal festhalten:
1.) bei der Resonanzfrequenz heben sich die Impedanzen von Induktivität und Kapazität auf, es gilt X_L = -X_C. Übersetzt heißt das: die Platte hat dabei keine Masse und keine Steifigkeit, es gibt nur noch die Dämpfung
2.) die Dämpfung selber ist weitestgehend unabhängig von der Plattenstärke und der Frequenz
Teil 3 beschäftigt sich dann mit den akustischen Impedanzen.
*in der Akustik sind es die pU- und die pI-Analogie (p: Druck)
-
Findich immer wieder interessant, über welche Wege man zum Ziel kommen kann... Ich hätte einfach mal mit dem E*I-fachen weitergemacht... Federsteifigkeit, Masse,... Damit bekommt man auch ganz leicht ("ingenieursmässig") eine Fres.
Ich werde das - wenn ich wieder im Büro bin und Literatur griffbereit ist - mal kurz einbringen, wenn ich darf bzw. wenn's nicht stört ;)
-
Ja klar geht das. Ich möchte allerdings noch auf etwas weiteres hinaus, und dazu brauche ich die Impedanzen.
Wenn Du etwas zu ergänzen hast, immer gerne. Ich bin kein Mechaniker, kenne also nicht alle Tricks und Kniffe aus dem Bereich.
-
Hi Jochen,
Deine Gesetze finde ich gut. Die haben was :)
Ich muß mich als Hauptschüler erst einaml durch die Formeln wühlen. Bin halt kein Ing:o
So, wie ich das aber lese, ist es nicht ganz so kompliziert.
Ich freue mich auf Teil 3.
Danke:)
LG
Kay
-
Hallo Jochen,
bin gespannt, was da noch kommt.
Bei der Schallabstrahlung von Gehäusen gibt es ja zwei Effekte:
1. Biegeschwingungen, angeregt durch den Wechseldruck im Gehäuse von Wänden, die an den Ecken eingespannt sind.
2. Können aber auch noch, je nach Phasengeschwindigkeit von Transversalwellen im Material, Transversalwellen auf den Flächen angeregt werden, die recht effektiv Schall abstrahlen können (Siehe Biegewellenwandler)
Gruß
Peter Krips
-
Peter,
Frage zu 1
Du meinst, dass die Gehäusewände als Passivmembran fungieren?
Frage zu 2
Transversalwellen, die Fläche schwingen wie ein Lineal , dass man auf dem Tisch zum schwingen bringt?
Die Longitudinalwellen, wo gehören die dann hin?
Ich habe da wirklich keine Ahnung, will es aber verstehen.
LG
Kay
-
Zitat:
Zitat von Kripston
1. Biegeschwingungen, angeregt durch den Wechseldruck im Gehäuse von Wänden, die an den Ecken eingespannt sind.
2. Können aber auch noch, je nach Phasengeschwindigkeit von Transversalwellen im Material, Transversalwellen auf den Flächen angeregt werden, die recht effektiv Schall abstrahlen können (Siehe Biegewellenwandler)
Ich bin mir nicht so ganz sicher, was Du meinst. Wenn 1.) das normale Ballooning sein soll, dann lässt sich das mit den in den ersten beiden Teilen beschriebenen Grundlagen zumindest schon mal erahnen.
Wenn Du mit 2.) die Wandresonanzen meinst, dann sind die bisher mit dem Übergang zu konzentrierten Elementen verloren gegangen. Wird aber noch behandelt.
-
Teil 3 - akustische Impedanzen
Genauso wie bei den mechanischen Impedanzen verschafft sich der Ingenieur auch bei der Akustik durch Analogien ein besseres Verständnis. Und genau wie bei der Gehäusebegrenzung - den Wänden - vereinfacht er das 3-dimensionale Problem auf konzentrierte Elemente.
Glücklicherweise kann man hier, im Gegensatz zur Mechanik, die Struktur direkt in einen elektrischen Schaltkreis überführen und erhält trotzdem den intuitiven Charakter. Die passende Analogie heißt pU (es gibt auch die pI, die ist dual dazu). Es gilt dann:
L ~ m
C ~ 1/s
R ~ W (Widerstand)
Als Beispiel: eine Bassreflexbox ist ein Volumen (Kondensator), und dazu parallel eine akustische Masse (Spule). Beides geht zur elektrischen Masse. Dazu gibt es dann noch einen Parallelwiderstand (Undichtigkeiten), und einen Widerstand in Reihe zur Spule (Reibungsverluste im Rohr). So ein Parallelschwingkreis (RLC) hat seinen maximalen Widerstand bei der Resonanzfrequenz f=1/(2*pi*Wurzel(LC)). Das ist die Tuningfrequenz, die man so wunderbar im Impedanzgang oder auch in der Auslenkung des Chassis sehen kann - das Bassreflex-System stellt der Membran einen so hohen Widerstand entgegen, dass die Auslenkung, und damit die Geschwindigkeit und die Gegeninduktion, fast bis auf 0 herunter geht.
Wie bekommt man nun das Chassis da hinein? Das muss man von der mechanischen auf die akustische Seite transformieren (mathematisch mit der Hilfe der Membranfläche). Dabei ergibt sich dann ein Reihenschwingkreis aus Masse (L), Steifigkeit (C) und mechanischen Verlusten (R). Dazu in Reihe der oben genannte Parallelschwingkreis.
In Teil 4 geht es dann um die Ankopplung der Gehäusewände an die mechanischen und akustischen Impedanzen.
-
Hallo Jochen,
Ich baue zwar keine Bassreflexboxen, habe aber trotzdem eine Verständnisfrage. Du sagst, dass bei der Resonanzfrequenz des Systems der Widerstand des Parallelschwingkreises am höchsten ist, was man auch im Impedanzschrieb sieht. Das habe ich verstanden und leuchtet ein. Aber wieso bewirkt der hohe Widerstand, dass die Auslenkung bzw. die Geschwindigkeit der Membran dann auf fast 0 zurückgeht. Genau das Gegenteil hätte ich erwartet, da die Membran doch keinen bzw. nur hohen Widerstand sieht. Oder korrespondieren in diesem Fall mechanischer und elektrischer Widerstand nicht?
Wo liegt mein Denkfehler?
Viele Grüsse
Thomas
PS: Verfolge den Thread hochinteressiert und freue mich auf die Fortsetzung. Mein Fachbuch ist angekommen. Lese mich gerade in das Kapitel Körperschalldämpfung ein, spannend und aufschlussreich.
-
Zitat:
PS: Verfolge den Thread hochinteressiert und freue mich auf die Fortsetzung. Mein Fachbuch ist angekommen. Lese mich gerade in das Kapitel Körperschalldämpfung ein, spannend und aufschlussreich.
Ich schließe mich an.
Du kannst einfach sehr gut erklären.
Respekt:ok:
Das ist wirklich ernst gemeint!
Lieben Gruß
Kay
Danke
-
Hallo Thomas,
Zitat:
Zitat von Yogibär
Aber wieso bewirkt der hohe Widerstand, dass die Auslenkung bzw. die Geschwindigkeit der Membran dann auf fast 0 zurückgeht. Genau das Gegenteil hätte ich erwartet, da die Membran doch keinen bzw. nur hohen Widerstand sieht. Oder korrespondieren in diesem Fall mechanischer und elektrischer Widerstand nicht?
in der pU-Analogie entspricht der Druck der Spannung, der Schallfluss dem Strom. Der Fluss ist, intuitiv zu verstehen, natürlich auch zu der Membrangeschwindigkeit proportional.
Mal als stark vereinfachter Stromkreis:
Spannungsquelle---Serienschwingkreis---Parallelkreis---el Masse
(Antrieb)-------------(Membran)--------------(Bassreflex)---(Umgebung)
Welcher Strom/Fluss fließt bei der Resonanzfrequenz des Parallelschwingkreises? Antwort: so gut wie keiner.
Und wo kein Fluss, da keine Membrangeschwindigkeit. Und weil v=dx/dt (Ableitung der Auslenkung nach der Zeit), ist auch die Auslenkung gleich 0.
Spannenderweise ist der Druck im Gehäuse dabei sehr hoch. Und wer jetzt denkt, wenn kein Strom in den Parallelkreis hineinfließt, wie kann dann das Bassrohr Schall abstrahlen, der möge die Blindströme betrachten.
-
Zitat:
Zitat von JFA
Spannenderweise ist der Druck im Gehäuse dabei sehr hoch.
Jo, der "gesunde Menschenverstand" meint, kann überhaupt nicht sein, da ist ja ein riesen Loch.. passt exakt zum "2.Jochenschen Gesetz". ;)
-
Zitat:
Zitat von JFA
....
L ~ m
C ~ 1/s
R ~ W (Widerstand).....
Moin Jochen,
hier musst Du noch mal dabei:
L,C,R und m sind Variablen. s steht normalerweise für die Einheit der Zeit, also t in s.
W steht als Einheit für das Watt, oder als Variable für die Energie.
In der Analogie setzt Du die Induktivität L der Masse m gleich. Aber die Kapazität C mit dem Kehrwert der Einheit s? Also 1/t? ...und R mit "W"? Einheit Watt oder Variable für Energie?
Viele Grüße,
Christoph
-
Ich habe die Variablen so aus dem Zwicker übernommen, und auch oben in Teil 2 so benannt:
m: Masse
s: Steifigkeit
W: Dämpfung (Widerstand)
t: Stärke/Dicke (thickness) => der ist doof, weil er mit der üblichen Variable für die Zeit kollidiert. Nehme jetzt d für Stärke/Dicke
-
Hallo Jochen,
Der Groschen ist gefallen. Mein Denkfehler war, dass ich einen Parallelschwingkreis vor Augen hatte und keinen Serienschwingkreis.
Ich komm in meinem Selbststudium gut voran. Ziehe mir gerade Technische Mechanik 2 Festigkeitslehre von Russel/ Hibbeler rein. Ein Super Lehrbuch.
Mein Ziel ist, qualitative und fundierte Aussagen zum CLD machen zu können.
Beste Grüsse und ein frohes Weihnachtsfest
Thomas
-
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 2)
Teil 4 -akustische angekoppelte Gehäusewände
Nachdem ich die mechanischen und akustischen Impedanzen eingeführt habe, nun die Koppelung an die Membran. Hier gibt es zwei Wege, einmal die akustische und die mechanische Koppelung. In diesem Teil geht es nur um den akustischen Teil.
Ich habe es auf dem Vortrag schon erwähnt (glaube ich), und bestimmt auch hier im Forum: so eine Gehäusewand ist auch nur eine Passivmembran. Sie hat eine Masse, Steifigkeit und auch mechanische Verluste. Also sollte man sie auch so ansehen.
Im Anhang habe ich den akustischen Ersatzschaltkreis für einen Lautsprecher mit Passivmembran gezeichnet. Wichtig: es handelt sich um akustische Impedanzen, deswegen heißt es z. B. Mas und nicht Mms.
In diesem Schaltkreis haben wir den Generator/Verstärker, den in die akustische Domäne transformierte Generator- und Schwingspulenwiderstand, das Chassis (Mas, Cas und Ras), und dahinter den interessanten Teil, nämlich das Gehäusevolumen (Cab, Rab und Ral), sowie die passive Membran (Map, Cap, Rap).
Rab sind die internen Verluste des Gehäuses (durch Dämpfung), Ral die Verluste durch Leckage (üblicherweise sehr klein, dadurch Ral sehr groß). Lässt man Cap weg ist man bei der Schaltung für Bassreflex, packt man noch einen weiteren Serienkreis aus Map2 nud Rap2 dazu hat man Bassreflex plus Passivmembran.
Der Schall wird durch den "Strom" (den akustischen Fluss) durch die einzelnen Zweige dargestellt. Natürlich können nur die Membran selbst und das passive Element Schall abstrahlen.
Schauen wir uns das mal genauer an: die Resonanzfrequenz des Chassis ist fs=1/(2*pi*Wurzel(Mas*Cas)), die Resonanzfrequenz der Passivmembran fp=1/(2*pi*Wurzel(Map*Cap)). Die Güten sind
Qas=1/Ras*Wurzel(Mas/Cas) bzw. Qap=1/Rap*Wurzel(Map/Cap).
Normalerweise würde man eine Passvimembran (und auch Bassreflex) so abstimmen, dass fp ungefähr gleich fs ist. In diesem Fall wollen wir aber die Schallabstrahlung des Gehäuses selber möglichst gering halten. Ziel ist also immer, den Strom durch den Serienschwingkreis Map/Cap/Rap möglichst gering zu halten.
Schauen wir uns das mal genauer an. Als erstes die Masse, dazu setzen wir Cap und Rap auf Null. Dadurch ergibt sich ein Parallelschwingkreis aus Cab und Map, genau wie Bassreflex. Völlig unabhängig von der Membran und dem Gehäuse können wir dann schonmal festhalten: macht man Map kleiner, steigt der Strom durch diesen Zweig. Wir gewinnen also nichts.
Also andersrum: Masse hoch. Dadurch sinkt der Strom schonmal, allerdings muss man jetzt darauf schauen, wo man die Resonanzfrequenz des Parallelkreises hinlegt. Die sollte möglichst niedrig sein, damit sie in einem Bereich liegt, wo der Gesamtstrom (der durch Mas, Cas und Ras) noch gering ist (wegen Cas).
Nun die Steifigkeit: Map und Rap auf Null setzen und schauen was passiert. Auch hier kommt man durch einfaches Nachdenken zu dem Schluss, dass eine höhere Steifigkeit (=> kleineres Cap) zu einem geringeren Strom führt. Und eine weichere Wand zu einem größeren Strom. Warum das eine nur bedingt gute Idee ist, dazu komme ich in einem späteren Teil.
Die Dämpfung ist einfach: je höher desto geringer der Strom, und da gibt es auch keine versteckten Fallen.
Noch eine wichtige Sache lässt sich aus dem Schaltkreis ablesen: nämlich, dass oberhalb von fs sich durch Mas und Cab ein Tiefpass zweiter Ordnung bildet, die Übertragung zu der "Passivmembran" ist also bei tiefen Frequenzen am besten (aber auch dazu in einem späteren Teil mehr).
Im nächsten Teil geht es dann aber erstmal um die mechanische Ankoppelung.
Edit: Die Ansicht vom PNG klappt bei mir nicht aus dem Browser heraus, deswegen noch als JPG
-
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 1)
Teil 5 - mechanische Ankoppelung
Nun also die mechanische Ankoppelung. Vorweg: die Darstellung des dynamischen Chassis als Serienkreis in der mechanischen Domäne entspricht nicht der Darstellung im Zwicker (dort ist es ein Parallelschwingkreis). In der angelsächsischen Literatur scheint das aber so üblich zu sein.
Weil wir jetzt in der mechanischen Welt stecken, heißen die Elemente Mms und nicht mehr Mas, wie im vorherigen Teil. Aber in der Struktur gibt es einen wichtigen Unterschied.
Normalerweise nimmt man die bewegten Teile des Chassis (Mms, Cms und Rms) als mechanisch parallel an (deswegen hier in der FU-Analogie in Reihe geschaltet), wobei alle 3 nach elektrischer Masse gehen. Diese Annahme nach Masse trifft aber nur dann zu, wenn diese bewegten Teile sich gegen etwas abstützen, was unendlich schwer oder unendlich steif ist. Genau diesen Fall haben wir hier nicht, denn es handelt sich ja um ein normales Gehäuse, was keine der beiden oben genannten Bedingungen erfüllt.
Wie kommen wir nun zu diesem Ersatzschaltbild? Massen werden in der Mechanik immer als gegen den Bezugspunkt (hier: elektrische Masse) angenommen, aber sowohl die Steifigkeit als auch die Reibung sind ja am Gehäuse "befestigt", liegen also in Reihe zu diesem. Wegen der Umwandlung Parallel <-> Seriell liegt hier das Gehäuse daher als Serienschwingkreis parallel zu dem seriellen RC-Glied des Chassis.
Ich habe in das Schaltbild noch einen weiteren Zweig (Cme und Rme) eingebaut, der die elastische Ankoppelung vom Chassis an das Gehäuse darstellen soll. Normalerweise ist die Ankoppelung sehr steif, also Cme sehr klein, daher kann dieser Zweig meistens weg gelassen werden. Aber in Teil 1 erwähnte ich die elastische Ankoppelung, und daher ist die drin.
Genau wie im akustischen Teil muss auch hier wieder der Strom durch den Serienschwingkreis Mmp/Cmp/Rmp möglichst klein gehalten werden.
Wir sehen vor allem eins: normalerweise ist diese Anregung nicht weiter tragisch. Bei tiefen Frequenzen verhindert die hohe Gehäusesteifigkeit (kleines Cmp) eine nennenswerte Anregung, bei hohen dagegen die große Masse (großes Mmp) und die Eigenschaft, dass Cms mit Mms als Tiefpass wirkt.
Die Sache hat nur einen Haken - und der gilt auch im akustischen Fall (Teil 4): bei fp=1/(2*pi*Wurzel(Mmp*Cmp)) wirkt nur noch Rmp - und der ist sehr klein! Meistens noch kleiner als Rms, womit wir bei einem sehr ernsten Problem sind, denn dann fließt bei Resonanz fast der gesamte Strom durch Rmp.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten, dieses Resonanzproblem abzumildern: man koppelt das Chassis hochelastisch (großes Cme) und nur gering bedämpft (sehr kleines Rme) an. Oder man bekommt irgendwie Rmp hoch.
Und darum geht es im nächsten Teil.
-
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 1)
Teil 5b - Ergänzung/Korrektur von Teil 5
Eigentlich hatte ich schon beim Schreiben von Teil 5 das Gefühl, dass da was nicht stimmt. Hätte ich es mal nicht abgeschickt.
Es fehlt noch die "andere" Seite der mechanischen Anregung. Das oben ist ja nur die Ankoppelung über die Zentrierspinne bzw. Sicke. Die ist zweifellos da, aber wegen der Feder (Cms) ziemlich lasch.
So, hier jetzt die komplette Schaltung. Ich habe mal den Weg dahin mit aufgezeichnet, es geht links oben los mit dem Modell eines Chassis, und dann im Uhrzeigersinn das mechanische Netzwerk, das strukturgleiche elektrische (FI-Analogie) und zum Schluss das dazu duale Netzwerk (FU-Analogie). Die Umwandlung basiert auf dem Trick, dass ich Mms erst nach rechts von der Stromquelle geschoben habe. Da es sich um eine Serienschaltung aus Mms und dem Parallelkreis (Cms, 1/Rms und F) handelt ist das ohne Probleme möglich. Dann die duale Umwandlung: Leitwerte zu Widerständen, Kapazitäten zu Induktivitäten und umgekehrt, Parallel zu Serienkreisen und umgekehrt. Dabei darf man auf keinen Fall die Richtung der Ströme durch die Bauteile vergessen, sonst gibt das Gehirnmus. Ich habe die hier mit Pfeilen an den entscheidenden Stellen vermerkt.
Den transformierten elektrischen Widerstand habe ich weggelassen.
Die Ströme durch Mms und Mmp entsprechen bei hohen Frequenzen (die kapazitiven Impedanzen sind sehr klein) jetzt dem Verhältnis der Massen zueinander (einleuchtend). Bei Gleichspannung passiert nichts (auch logisch, Gleichgewicht von Kraft BL*i und Federkraft).
Bei tiefen Frequenzen wirken hauptsächlich Cms und Cmp, um den Strom durch Mmp klein zu halten müsste also Cmp möglichst klein, das Gehäuse also möglichst steif sein. Ich erwähnte ja schon, dass ich noch dazu komme, warum das eine doofe Idee ist.
Alternative: Mmp groß, also Gehäuse schwer, und/oder Rmp groß. Besonders der ist interessant, denn bei Fp (der Resonanzfrequenz des Gehäuses) wirkt nur noch Rmp.
-
Mit "anderer" Seite meinst Du den Korb?
Gesendet von iPhone mit Tapatalk
-
Es geht ja alles über den Korb. Die Spinne/Sicke ist ja auch an dem befestigt. Aber wenn Strom durch die Spule fließt, dann wirkt die Kraft einerseits auf die Membran, andererseits auch - betragsmäßig gleich, nur entgegen gesetzt gerichtet - auf den Magnet und damit auf den Korb.
-
Könnte man das nicht einfach über einen zusätzlichen Parallelzweig mit einem großen R auf Masse modellieren?
Der Effekt ist frequenzunabhängig (da nicht von der Auslenkung des Chassis abhängig) und verringert die Ströme in allen anderen Zweigen (da genau 180° phasengedreht zu allen anderen Effekten).
-
Korrektur von Teil 5 ist eingefügt. HJoffe, dass es so jetzt stimmt.
(Thread nach oben schubs...)
-
Hallo Jochen,
Große Klasse Deine Betrachtung und Erläuterung mit Hilfe der Ersatzschaltbilder. Das werde ich mir noch in Ruhe reinziehen.
Nach dem Studium des Harwood Papiers und einiger Aufsätze zum Thema Körperschalldämpfung und Festigkeitslehre bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass
a) die Materie recht komplex ist,
b) zum Teil konkurrierende Forderungen bestehen
c) eine Lösung in geschickten Sandwich-Verfahren liegen könnte
d) mehrlagige Sandwiche nur extrem aufwändig zu berechnen sind
Dazu bedarf es aber systematischer Messungen. Ich werde deshalb eine Testbox bauen, in dessen Front verschiedene Chassis als Signalgeber eingebaut werden können und dessen Rückwand das zu messende Testobjekt bildet. Diese wird nur oben und unten fixiert, damit sie frei schwingen kann. Ich möchte unter anderem normale Chassis nutzen, da diese einfach entzerrt werden können. Wenn ich statt eines Mikros mit einem Beschleunigungssensor arbeite, sollte ich mit ARTA alle Auswertungen machen können.
Ich denke eine Größe von 45 x 30 cm als Rückwand (Messobjekt) sollte passend sein.
Viele Grüsse und allen einen guten Rutsch ins neue Jahr.
Thomas
-
Hallo Thomas,
Zitat:
Zitat von Yogibär
a) die Materie recht komplex ist,
ja, das auf jeden Fall. Analyse der Eigenschwingungen von Strukturen ist ziemlich aufwändig. Ich kratze hier ja bisher nur an der Oberfläche, und selbst in den geplanten späteren Teilen wird nur ein wenig die Grasnarbe angehoben. Ingenieursbetrachtung eben.
Zitat:
b) zum Teil konkurrierende Forderungen bestehen
Jain. Wenn Du das Harwood-Paper gelesen hast, dann weißt Du ja, weswegen ich einer hohen Steifigkeit eher mistrauisch gegenüber stehe. Da herrscht ganz klar ein Zielkonflikt, auch wenn es dann um das Thema Kosten (hohe Steifigkeit erfordert hohen Aufwand) geht. Aber im Grunde könnte man ja sagen:
- für den Heimbereich, wo das Gewicht eine nicht ganz so große Rolle spielt, kann man den BBC-Ansatz nehmen: schwere, weiche, und gedämpfte Wände
- da wo es auf das Gewicht ankommt - Tour, Automotive, Aero - muss man cleverer agieren, z. B. durch Sandwich-Bauweise
Zitat:
d) mehrlagige Sandwiche nur extrem aufwändig zu berechnen sind
Ich bin in meinen Recherchen irgendwo auf ein Paper gestoßen, wo mehrlagige Sandwiches untersucht wurden. Gegenüber einem einfachen SW war die Dämpfung nicht viel höher (kann aber sein, dass bezogen auf das Gewicht Vorteile da waren)
Jetzt aber guten Rutsch und schönes neues Jahr!
-
Liste der Anhänge anzeigen (Anzahl: 1)
Teil 6 - Einführung in die Leitungstheorie
Ich mache jetzt hier aus didaktischen Gründen erstmal noch kurz eine Einführung in die Leitungstheorie (mit anschließender Überleitung zu Platten). Die angekündigte Beschreibung, wie man die Dämpfung der Gehäusewände erhöht, kommt erst in Teil 8, weil es in Teil 7 um die Hörbarkeit gehen soll (auch aus didaktischen Gründen).
Bisher ging es ja nur um konzentrierte Elemente (Ingenieursvereinfachung auf die 0. Dimension). Natürlich hat so eine übliche Holzplatte 2 Dimensionen, also müssen wir die bisherigen Betrachtungen erweitern.
Eine Dimension hoch, von den konzentrierten Elementen aus gesehen, ist die Leitung. Wir bekommen also eine Ausdehnung in eine Richtung, alle anderen Richtungen werden noch nicht betrachtet.
Um von den konzentrierten Elementen auf eine Leitung zu kommen, zerlegt man die Elemente in kleinere Teile*. Im angehängten Bild sieht man das beispielhaft: der Serienschwingkreis (links oben) wird auf 2 hintereinander geschaltete Serienschwingkreise (rechts oben) aufgeteilt**, wobei die nun 2 Schwingkreise jeweils die gleichen Eigenschaften haben. Man sieht schon eine Sache: wo es vorher 1 Resonanz gab (bei F=1/(2*pi*wurzel(L*C))), gibt es nun zwei: nämlich bei der gleichen wie bisher, und zusätzlich noch bei F=1/(2*pi*wurzel(L*C/4)), also der doppelten Frequenz.
Diesen Schritt wiederholt man so lange, bis man auf das Bild unten kommt: eine unendlich lange Reihe von Schwingkreisen, die nur noch aus unendlich (infinitesimal) kleinen Bauteilen bestehen.
Genau so kann man das bei einem Stab bzw. - noch eine Dimension höher - einer Platte machen: man betrachtet es nicht mehr als 1 Masse mit 1 Steifigkeit, sondern als unendliche Folge von kleinen Einzelstäben bzw. -platten***. Eine TML ist auch nichts anderes (allerdings ist da das Ende kurzgeschlossen, s. u.).
So eine Leitung hat ein paar bemerkenswerte Eigenschaften. Eine davon ist der sogenannte Wellenwiderstand Z_L. Den errechnet man aus den sogenannten Belägen R', L' und C'. Interessant ist z. B. die Tatsache, dass, wenn man an das Ende der Leitung (im unteren Bild ganz rechts) mit genau diesem Wellenwiderstand abschließt, es keinerlei Resonanzeffekte gibt. Die gesamte noch vorhandene Leistung wird in diesen Abschlusswiderstand Z_A abgegeben.
Ist Z_A ungleich Z_L wird ein Teil der Welle zurückgeworfen, und, sofern der Eingangswiderstand Z_E (der wäre im Bild ganz links) ebenfalls ungleich Z_L ist, immer wieder in erneut abgeschwächter Form zwischen den Leitungsenden hin- und hergeworfen. Würde man in dieser Situation am Leitungsanfang die Impedanz messen, dann würde man weder Z_L noch Z_A als Ergebnis haben, sondern eine frequenzabhängige, transformierte Impedanz. Diese Impedanztransformation funktioniert besonders gut bei bestimmten Frequenzen (den Resonanzen oder Moden), und die sind von Z_L, Z_A und der Leitungslänge abhängig.
Den zurückgeworfenen Anteil der Welle berechnet man über den Reflexionsfaktor: r=(Z_A-Z_L)/(Z_A+Z_L). Den liest man so: die Spannung U_refl der zurückgeworfenen Welle ist gleich dem Produkt aus der Spannung U_E der hinlaufenden Welle und dem Reflexionsfaktor: U_refl=r*U_E. Bitte um die Beachtung der Rechenreglen für komplexe Zahlen.
Aus der Gleichung für den Reflexionsfaktor lassen sich 3 Spezialfälle ablesen:
1) Z_A = Z_L => r=0; das ist der Fall, den ich oben schon in Worten beschrieben habe: alle Leistung geht in Z_A
2) Z_A = unendlich => r=1; die Leitung im angehängten Bild ist so, die Welle wird vollständig reflektiert
3) Z_A = 0 => r=-1; Kurzschluss, die Welle wird vollständig reflektiert, aber mit umgekehrter Phase.
Da wir ja Resonanzphänomene betrachten wollen sind die Fälle 2) und 3) besonders interessant für uns. In einem üblichen Gehäuse sind die einzelnen Wände ja üblicherweise an den Kanten fest mit den Nachbarwänden verbunden. Das ist zwar nicht ganz Z_A = unendlich, aber kommt dem schon recht nahe. Eine offene Schallwand dagegen schwingt an der Ecke offen (muss ja nicht, aber ist der einfachste Fall), und hat dementsprechend Z_A=0.
Wie oben erwähnt gibt es bestimmte Frequenzen, wo die Abschlussimpedanz Z_A besonders gut transformiert wird. Für die beiden Fälle 2) und 3) lässt sich die Lage dieser Frequenzen ziemlich gut angeben (L sei die Leitungslänge):
2) L=N*lambda/2, mit N=1, 2, 3, ...
3) L=N*lambda/4, mit N=1, 3, 5, ...
Punkt 3) sollte allen Verfechtern von TML-Lautsprechern ziemlich bekannt vorkommen.
Bei diesen Frequenz gilt das gleiche wie für die konzentrierten Elemente gesagte: L und C sind unwirksam, es erscheint nur noch R als Parameter. Um diese Resonanzen abzudämpfen (das, was wir wollen), müssen wir uns also um dieses R kümmern.
Bis jetzt waren wir noch beim Stab bzw. der Leitung, jetzt geht es weiter zur Platte. Da gibt es dann nicht nur Moden in eine Richtung, sondern nochmal genauso viele quer dazu, dazu noch Mischformen. Und weil wir gerade dabei sind: in einer echten 3-dimensionalen Struktur erhöht sich das nochmal. Dazu gibt es auch eine Formel, nämlich die in der Raumakustik so wichtige Rayleigh-Formel (bei der, wenn man nur eine Platte betrachtet, einfach nur eine Dimension weg lassen muss).
* E-Technik-Professoren mögen mir die sehr vereinfachende Darstellung verzeihen
** Da gehört eigentlich noch ein Leitwert parallel zu den C's rein, den habe ich aus Ignoranz weggelassen
*** das ist die Grundlage von FEM-Analysen; die sind aber nicht mehr infinit, sondern finit. Auch Deep Thought hätte mit infinit so seine Schwierigkeiten
-
Teil 7 - Hörbarkeit von Gehäuseresonanzen
Und gleich den nächsten Teil hinterher, der geht schnell.
Im allerersten Beitrag hatte ich schon den Link zu dem bahnbrechenden, leider weitläufig ignorierten, Paper von Harwood gesetzt: http://www.bbc.co.uk/rd/publications/rdreport_1977_03
Bevor ich auf die für diesen Teil entscheidenden Ergebnisse eingehe noch ein paar wichtige Worte zu den Ersatzschaltbildern. Wie ich schon erwähnte wirkt bei den Resonanzen lediglich die innere Dämpfung der Panels als Bremse der Anregung. Da diese üblicherweise sehr klein ist spricht also nichts dagegen, dass der akustische Output der Panel dem der Membran entspricht. Allein diese mögliche Größenordnung sollte die Wichtigkeit des Themas verdeutlichen.
In seinem Paper geht Harwood auf die Hörbarkeit von Resonanzen ein. Auf Grund von vielen BBC-internen Versuchen hat er ein Kriterium dafür ermittelt, und das seht ihr in Fig. 12 auf Seite 19. In den darauf folgenden Bildern sieht man es dann in die praktische Anwendung umgesetzt.
Den entscheidenden Punkt sieht man aber schon in Fig. 12: die Hörbarkeit nimmt mit steigender Frequenz, bis ca. 400 Hz zu! Darüber verbleibt sie auf dem ereichten niedrigen Niveau. Dieses Ergebnis scheint ihn selber überrascht zu haben, denn im Text auf der Seite schreibt er noch, dass diese Auswertung keinen wissenschaftlichen Kriterien genügt. Da ich aber genügend Literatur zu dem Thema gelesen habe kann ich sagen: sie stimmt.
Und aus genau diesem Grund ist es nachteilig (ein Zielkonflikt), die Gehäuseschwingungen im Bass durch eine erhöhte Steifigkeit zu verringern - denn dadurch schiebt man sie sich ja erst in einen Bereich, in dem sie hörbar werden!
Und noch was zur Resonanzgüte. Normalerweise sagt man ja, und zwar völlig zurecht, das breitbandige Überhöhungen leichter hörbar sind als schmalbandige. Das trifft auf den normalen Frequenzgang zu, aber wie es aussieht nicht auf die Gehäuseresonanzen. Zumindest geben die bisher gewonnenen Daten dazu keinen Anlass. Man kann also nicht hoffen, durch erhöhte Steifigkeit - und damit höheres Q - auch eine geringere Hörbarkeit zu erzielen.
Steifigkeit kann gut sein wenn man es macht wie Andreas, und ein sehr steifes Bassgehäuse baut, von dem dann der MHT-Teil elastisch abgekoppelt ist. Dabei muss man aufpassen, dass trotzdem noch genug Masse vorhanden ist, damit der gesamte Lautsprecher nicht auf dem Boden wandert. Das erreicht er durch eine schwere Bodenplatte.
Aus diesem Grund habe ich neulich in einem Thread zur Dämmung eines Subwoofergehäuses die drei Gesetze für den Subwooferbau formuliert:
1) Masse
2) Masse
3) Masse
Denn natürlich könnte man auch mit Steifigkeit einiges erreichen, aber wenn das Gehäuse dann sehr leicht ist, macht es beim ersten echten Bassschlag einen Satz durchs Wohnzimmer und erschlägt die Katze.
-
Erneut allerbesten Dank Jochen für die enorme Mühe und Arbeit die du hier selbstlos für die Allgemeinheit leistest. :danke:
Schöne Grüße
Theo
-
Off Topic.......zur Muße nach dem harten Verfolgen der sehr interessanten Beiträge.
Ein Scherzkeks, vielleicht glaubte er auch selbst daran, war durch diese Ersatzschaltbilder angeregt worden DMS fest an Motorradrahmen, Fahrwerkselementen wie Dämpfern aber auch im Rallyefahrzeugen anzukleben. Die "Kondensatoren" sollten mechanische Belastungsspitzen aufnehmen. Etliche Kunden vermerkten eine deutliche Verbesserung des Fahrverhaltens .....und er machte in den 80ern bis in die 90er hinein gute Geschäfte.
Vielleicht sollte man das als Geschäftsmodell für das Aufkleben auf (Metall-)Membranen, Lautsprecherkörben und Gehäusewänden wieder aufnehmen...vielleicht auch mit SMD-Widerständen und kleinen Spulen als Sauggkreis...um wieder zum Thema zu kommen.
Gruß Kalle
-
Hallo Jochen,
ich weiß nicht ob die Anwendung der Leitungstheorie in diesem Zusammenhang die eleganteste Methode der Modellbildung sein wird. Sie hat sich sicherlich bei der eindimensionalen Wellenausbreitung auf Leitern bewährt, aber hier bin ich gespannt wie Du vorgehen willst. Zumal das Rechnen mit Impedanzen den eingeschwungenen Zustand voraussetzt und gerade hier transiente Erscheinungen von Bedeutung sein könnten.
Dem Grundsatz der Modellbildung: "So einfach wie möglich und so genau wie nötig." wird das Verfahren hier wohl nicht so richtig gerecht.
Ist das ganze nicht eher ein klassisches Problem für FEM/BEM oder die Modalanalyse?
Viele Grüße,
Christoph
Zitat:
Zitat von JFA
...
* E-Technik-Professoren mögen mir die sehr vereinfachende Darstellung verzeihen.....
:ok: Alles gut soweit.
EDIT: Erschwerend kommt hinzu, dass wir es dann auf den Gehäusewänden wohl mit Transversal- UND Longitudinalwellen zu tun haben werden.
EDIT2: Läuft man Gefahr mit dieser Anlaogie (Leitungsmodell) die Leute restlos zu verwirren, da eine elektrische Impedanz als Quotient aus einer Differenzgröße (Spannung U) und Flussgröße (Strom I) definiert ist, aber in der MEchanik genau umgekehrt Flussgröße (Kraft F) geteilt durch Differenzgröße (Geschwindigkeit v)
Z_el = U / I
Z_mech = F / v
Warum das so entscheidend ist (bei einer Analogie)? Weil für Flussgrößen in beiden "Welten" die Knotenregel (Summe alle F = 0, Summe aller I = 0) gilt und für Differenzgrößen die Maschenregel (Summe aller U = 0, Summe aller v = 0).
-
Mit der Leitungstheorie wollte ich nur das sehr einfache Modell mit konzentrierten Elementen wieder zurück in die richtigen Dimensionen führen. Eventuell brauchen wir die Wellenwiderstände nochmal, das weiß ich noch nicht.
Letztlich wollte ich auch nur klar machen, das genau wie im Fall der einzelnen Resonanz bei konz. Elementen wir es mit Masse, Steifigkeit und Dämpfung zu tun haben, und keine besonderen magischen Effekte uns einen Strich durch die Rechnung machen.
Ich grübele jetzt eher über die visko-elastische Dämpfung bzw. ihre Auswirkung auf das R in den Ersatzschaltbildern nach. Scheinbar sind meine Modelle, die ich im Kopf habe, nicht ganz so zutreffend wie ich erhofft hatte...
-
Hallo Jochen,
finde es Klasse, welche Mühe Du Dir machst, kann Dir aber nicht ganz folgen, wenn Du von visko-elastischer Dämpfung schreibst.
In dem BBC-Paper wird versucht, von den Eigenschaften eines beidseitig eingespannten Stabes auf die einer allseitig eingespannten Platte zu schließen. Ich meine, das ist ein ziemlich gewagter Spagat.
In Deinem Model beschreibst Du die schwingende Oberfläche einer Box als einfaches Masse-Feder-System, also ein Kolbenstrahler, was sie nicht ist. Die Box, egal wie sie aussieht, strahlt Biegewellen ab. Deswegen vermisse ich in Deiner Erklärung Begriffe wie Koinzidenz, Eigenmoden und Abstrahlgrad.
Hab zwei Links, die wie ich denke, zum Thema passen - beide bei Siegfried Linkwitz gefunden.
1. Ein Aufsatz, der die Übertragung von Körperschall vom Chassis auf die Box und den Einfluss der Abstrahlung untersucht.
"Loudspeaker Driver De-Coupling - A Preliminary report"
2. Eine etwas neueres AES-Paper aus 2015 über die Schallabstrahlung von Lautsprechergehäusen
"Predicting the Acoustic Power Radiation from Loudspeaker Cabinets: a Numerically Efficient Approach"
-
Zitat:
Zitat von adicoustic
Du Dir machst, kann Dir aber nicht ganz folgen, wenn Du von visko-elastischer Dämpfung schreibst.
Warum nicht? Jedes Material, das Energie durch Reibung vernichtet, ist viskos. Die meisten Feststoffe - wie z. B. das beliebte Bitumen - haben aber auch gleichzeitig noch eine Elastizität. Das heißt visko-elastisch.
Ich könnte auch ein rein viskoses Material auf ein rein elastisches Material auftragen, und hätte dann in der Summe ein visko-elastisches. Wie sich allerdings dann der Anteil der viskosen Schicht auf das Gesamtverhalten auswirkt, da ist mein bisheriges Verständnis noch lückenhaft bzw. nicht richtig (soll heißen: Theorie passt nicht zur Praxis).
Zitat:
In dem BBC-Paper wird versucht, von den Eigenschaften eines beidseitig eingespannten Stabes auf die einer allseitig eingespannten Platte zu schließen. Ich meine, das ist ein ziemlich gewagter Spagat.
Nein, das ist vollkommen korrekt. Er macht ja genau das gleiche wie ich hier, nämlich eine Vereinfachung. In dem Versuch mit der Platte geht es lediglich um die Materialeigenschaften.
Zitat:
In Deinem Model beschreibst Du die schwingende Oberfläche einer Box als einfaches Masse-Feder-System, also ein Kolbenstrahler, was sie nicht ist.
LS-Chassis werden auch vereinfacht als Kolbenstrahler angenommen - was sie nicht sind. Der Punkt ist: Vereinfachung. Mit den Details kann man sich später auseinandersetzen, aber anfangs versperren sie den Blick auf das Wesentliche.
Zitat:
Die Box, egal wie sie aussieht, strahlt Biegewellen ab.
Deswegen vermisse ich in Deiner Erklärung Begriffe wie Koinzidenz, Eigenmoden und Abstrahlgrad.
Koinzidenz: halte ich nicht weiter für relevant. Für MDF mit 20 mm Stärke (frei schwingend) komme ich auf 600 Hz bis 1500 Hz. 1. wer nach Lektüre dieses Threads noch 20 mm MDF (außer Subwoofern) einsetzt hat es nicht besser verdient. 2. wer bei 600 Hz noch Schall hat, der auf die Wände trifft, hat es ebenfalls nicht anders verdient (dafür gibt es Dämpfungsmaterial!)
Eigenmoden: ich rede die ganze Zeit von nichts anderem
Abstrahlgrad: gerade in dem Bereich der Eigenmoden ist der Abstrahlgrad sehr hoch. Beweis? Ersatzschaltbilder, Messungen.
Nochmal: es geht mir hier um die Vereinfachung der Realität, damit man überhaupt mal einen Ansatz hat, in welche Richtungen mögliche Lösungen liegen.
Nachtrag @Fosti: Du weißt doch auch, dass man erstmal die Grundlagen verstehen muss, bevor man mit FEM/BEM anfängt. Klar, damit kann man toll simulieren, aber wie man dann zielgerichtet vorgeht kommt nicht dabei heraus.
-
Hallo Jochen,
ich hoffe, es ist ok, wenn ich deinen Thread mit einem Beispiel aus der Praxis kapere?
Messobjekt ist meine Kellerbox:
http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/p...ictureid=11324
Hier ein Bild aus der Bauphase von hinten ohne Rückwand:
http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/p...ictureid=29670
Der Pfeil zeigt die Mikroposition (also direkt vor der Rückwand), aus der sich folgende Messung:
http://www.diy-hifi-forum.eu/forum/p...ictureid=29669
Ganz schlimmes Nachschwingen bei 575 Hz. Das ist bei Messsignalen mit bloßem Ohren warnehmbar. Bei Musik teilweise auch (wenn sich isolierte Stimmen und Geräusche auf dieser Frequenz befinden).
Die Mitteltonkalotte ist mittlerweile von einem Konus abgelöst, der die Resonanz wirklich übel anregt (obwohl es nicht seine Gehäuserückwand ist). Der Konus sitzt in seinem eigenen Gehäuse, der wegen der Anschrägung auf der Schallwand von viel MDF umgeben ist.
Der Tieftöner regt die Resonanz der Rückwand auch an, aber weitaus harmloser.
Was also tun? Ich komme an die Rückwand nicht mehr wirklich gut ran. Einen hohen Aufwand scheue ich. Dann baue ich lieber komplett neu, da ich noch an anderer Stelle Verbesserungspotential sehe. Aber vielleicht gibt es ja eine schnell umsetzbare Möglichkeit, die "Kirchenglocke" in meinem Lautsprecher abzuschalten.
Gruß, Christoph
-
Mitteltöner elastisch aufhängen, über Gummimetall
-
Danke. Mir fehlt aber die Vorstellungskraft, wie ich das im Nachhinein einbauen kann. Zudem regt der Tieftöner die Rückwand auch an...:denk:
-
Bohrungen in der Schallwand vergrößern und sowas einsetzen: http://www.norelem.de/de/de/Produkte...fer-Typ-C.html
Am besten in ein Sackloch, dann kann die Rückseite verklebt werden. Ansonsten auf Klemmung.
-
Danke für den Link. Theoretisch könnte man auch den Magneten elastisch aufhängen und den Übergang zur Schallwand nur "abdichten", oder?
|