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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Frage minimaler Hörabstand



linux1972
06.10.2025, 05:47
Hallo,

Frage: gibt es Erfahrungen oder eine Regel, wie groß der minimale Hörabstand in Relation zu den Chassisabständen und den Trennfrequenzen bei einem 3-Wegerich sein sollte? Die Chassis sind im konkreten Fall untereinander angeordnet.

Gruß

Achim

JFA
06.10.2025, 08:00
Gibt Faustregeln, aber sind alle irgendwie nur hingedichtet und echte Grundlage:
- Hörabstand >> Chassiabstand
- Hörabstand >> Wellenlänge Trennfrequenz

Es gibt einen Minimalabstand, ab dem verändert sich der Frequenzgang merklich, lässt sich mit dem Mikrofon kontrollieren. Das wäre so wirklich der unterste allerkleinste Abstand der machbar ist.
Der Abstand ist oft überraschend klein. Das sagt aber nicht alles über den Höreindruck, zB stört es mich bei solchen vertikal angeordneten 3-Wegern ungemein, dass dann das Klangbild in "Stockwerke" zerfällt. Dem ließe sich durch eine tiefe Trennfrequenz TT-MT beikommen, was dann wieder eigene Probleme mit sich bringt.

Darakon
06.10.2025, 08:02
Mein Hörerfahrung nach:

Je eher das Lautsprecher-System (exklusive Subwoofer) einer Punktschallquelle gleicht, desto geringerer Hörabstand möglich.

Kleinere Breitbänder (bis ca 4 Zoll): laufen bei mir gut auf dem Schreibtisch bei ca 60cm Hörabstand
Sehr kleine 2 Weger wie zB Genelec 8010A: Empfohlener Hörabstand: 50cm bis 100cm
'Normale' Nahfeldmonitore (ca 5 zoll woofer): 0,8m bis 1,5m

zu deiner Frage 3-Weger:

Man müsste im vertikalen Sonogramm schauen, ob der Übergang zwischen MT und HT oder zwischen TT und MT früher aufbricht.
Außerdem hängt es stark von der gewählten Größe vom Mitteltöner ab.

Tendenziell: Je enger die Treiber zusammen auf der Schallwand angeordnet sind und je niedriger die Übergangsfrequenzen gewählt sind, desto geringer der minimale Hörabstand.
Leider widersprechen sich diese beiden Anforderungen häufig.

Daher versuche ich vorher immer eine Simulation in VituixCAD, um genau solche Tendenzen auszuloten.

Auch die 'Art' des x-overs spielen eine rolle, sowie das Verhältnis von Treiberabstand und x-over-Frequenz

capslock
06.10.2025, 09:16
Das sagt aber nicht alles über den Höreindruck, zB stört es mich bei solchen vertikal angeordneten 3-Wegern ungemein, dass dann das Klangbild in "Stockwerke" zerfällt. Dem ließe sich durch eine tiefe Trennfrequenz TT-MT beikommen, was dann wieder eigene Probleme mit sich bringt.

Hast Du vier Ohren oder wie löst Du das auf?:D

Darakon
06.10.2025, 09:26
Hast Du vier Ohren oder wie löst Du das auf?:D

Gegenfrage: Fixierst du deinen Kopf beim Musikhören mit einer Schraubzwinge? ;)

Gerade im Nahfeld, wenn du dein Kopf ein paar cm höher oder tiefer hältst, kann sich deine vertikaler Hörwinkel schnell um +/-10° ändern, was wiederum in einer Änderung des Frequenzgang besonders im x-over Bereich resultiert. Hinzu kommt der Laufzeitunterschied zwischen MT und HT, der sich je nach Kopfposition ändern kann, wodurch der Frequenz noch weiter beeinflusst werden kann.

wgh52
06.10.2025, 10:02
Hmmm... Interessant! Aber bitte eine Verständnisfrage: Darf man aus den bisherigen Beiträgen den Schluß ziehen, daß man z.B. 2 und mehr Wege Lautsprecher per DSP Delayeinstellungen der einzelnen Wege auf ausgeglichenen F-Gang an der Hörohrposition einmessen könnte? Möglicherweise eben verschiedene Einstellungen je nach gewähltem Hörplatz? Mir geht's um grobe Näherung, denn ich verstehe, daß noch mehr Einflußfaktoren existieren, je weiter man von Lautsprecher weg ist..

walwal
06.10.2025, 10:50
Wenn ich mir das Sonogramm eines klassischen 3-Wgers anschaue, ist innerhalb 10 - 20 Grad Abweichung in der Vertikalen der Pegel im Bereich 3 dB. Das sollte nur minimale Klangänderungen ergeben. .

78008

walwal
06.10.2025, 10:55
Wenn ich mir das Sonogramm eines klassischen 3-Wgers anschaue, ist innerhalb 10 - 20 Grad Abweichung in der Vertikalen der Pegel im Bereich 3 dB. Das sollte nur minimale Klangänderungen ergeben. .

78008

78009

So, jetzt komplett

Darakon
06.10.2025, 11:13
Wenn ich mir das Sonogramm eines klassischen 3-Wgers anschaue, ist innerhalb 10 - 20 Grad Abweichung in der Vertikalen der Pegel im Bereich 3 dB. Das sollte nur minimale Klangänderungen ergeben. .

78008

Wenn man das Sonogramm so sieht, hast du natürlich recht.
Allerdings umfasst alleine der dunkelrote Bereich 3dB.

Was man in dem Diagramm nicht sieht, sind die Laufzeit-Effekte und die Effekte am Hörplatz durch Reflektionen (nur indirekt).

Ich meine, dass ich in der Vergangenheit mal ausprobiert zu haben: Das Verschieben des Mikrofons in der Vertikalen macht an einem realen Hörplatz durchaus einen Unterschied.

Falls ich falsch liege, würde das bedeuten, dass man viele Lautsprecher sehr viel näher Hören könnte, als angenommen.

JFA
06.10.2025, 11:14
Hast Du vier Ohren oder wie löst Du das auf?:D

HRTF und Laufzeitunterschiede. Aber hauptsächlich HRTF.

walwal
06.10.2025, 11:35
.... Das Verschieben des Mikrofons in der Vertikalen macht an einem realen Hörplatz durchaus einen Unterschied......

Ja, aber das können auch Raumeinflüsse sein. So was habe ich auch, böse Auslöschung bei 70 Hz je nach Höhe am Hörplatz. Das stört viel mehr als ein zu geringer Hörabstand. So lange man nicht die Chassis heraushört, ist doch alles gut.

newmir
06.10.2025, 12:05
Also ich kann was praktisches dazu beitragen ...bei mir auf dem Schreibtisch steht eine Kombi aus Mini-Sub unten und OpenBaffle Breitbänder oben in etwa 50 cm Abstand vom Ohr. Aktiv getrennt lässt sich die Trennfrequenz problemlos verschieben. Nachdem ich die ein Weile zuerst bei 800Hz hatte, habe ich sie nach rumprobieren schrittweise immer tiefer gesetzt. Jetzt bin ich bei 300Hz angekommen. Vorher hatte ich immer das Gefühl, ich kann die zwei unterschiedlichen Quellen oben und unten hören .... vorallem im direkten umschalten zwischen 800 und 300. Ich denke der Unterschied ist deutlich mehr als Placebo ..... wie die Ohren das machen .... muss ich das wissen?

capslock
06.10.2025, 12:19
HRTF und Laufzeitunterschiede. Aber hauptsächlich HRTF.

Ja, weiß ich doch. Aber HRTF hilft nur begrenzt.


Gegenfrage: Fixierst du deinen Kopf beim Musikhören mit einer Schraubzwinge? ;)

Gerade im Nahfeld, wenn du dein Kopf ein paar cm höher oder tiefer hältst, kann sich deine vertikaler Hörwinkel schnell um +/-10° ändern, was wiederum in einer Änderung des Frequenzgang besonders im x-over Bereich resultiert. Hinzu kommt der Laufzeitunterschied zwischen MT und HT, der sich je nach Kopfposition ändern kann, wodurch der Frequenz noch weiter beeinflusst werden kann.

Ich war versucht zu sagen, dass ich selten meinen Kopf um 90° verkippe und dann schüttele, aber das mit dem Nicken könnte die Lösung sein, nämlich das aus der Faltung von HRTF mit einer scannenden Nickbewegung die Info rauskommt.

JFA
06.10.2025, 12:30
Ich war versucht zu sagen, dass ich selten meinen Kopf um 90° verkippe und dann schüttele, aber das mit dem Nicken könnte die Lösung sein, nämlich das aus der Faltung von HRTF mit einer scannenden Nickbewegung die Info rauskommt.

Dann verstehe ich deinen vorherigen Beitrag nicht.

capslock
06.10.2025, 12:38
Die HTRF wirkt wie ein vom Nickwinkel abhängiger Filter. Wenn ich ein unbekanntes und/oder kurzes Geräusch höre, kann ich damit nicht feststellen, aus welcher Höhe es kam, Wenn das Geräusch aber länger andauert und ich währenddessen nicke, scanne ich den winkelabhänigen Filter über die Quelle und kann damit z.B. die einzelnen Wege des Lautsprechers idenifzieren.

Wenn ich nicht nicken würde, müsste ich den Kopf seitlich auf die Schulter ablegen, weil ich dann die Schallquellen in der Höhe über Laufzeit in der Höhe orten kann.

JFA
06.10.2025, 13:28
Das hat aber nur bedingt damit zu tun, was ich meine. Hochtöner, Mitteltöner und Tieftöner, vertikal angeordnet, haben jeweils ihre "eigene" HRTF. Der Effekt der HRTF ist abhängig vom Winkel (Elevation) des einzelnen Chassis gegenüber dem nach vorne gerichteten Gesichtserker. Damit kann das Gehör den "cone of confusion" auflösen, und was dann "von unten" eintrifft wird auch "von unten" erkannt. Ob man (ich) dabei unwillkürlich nickt mag sein, ist mir noch nicht aufgefallen.

Am extremsten hatte ich den Effekt übrigens bei den Criterion S2200 CTL: 2 unten liegende TT, 1 MT und 1 HT darüber, Trennfrequenz ca. 350 Hz/2200 Hz. Bei den kleineren Modellen der Reihe war das lange nicht so stark.

Darakon
06.10.2025, 14:52
Das hat aber nur bedingt damit zu tun, was ich meine. Hochtöner, Mitteltöner und Tieftöner, vertikal angeordnet, haben jeweils ihre "eigene" HRTF. Der Effekt der HRTF ist abhängig vom Winkel (Elevation) des einzelnen Chassis gegenüber dem nach vorne gerichteten Gesichtserker. Damit kann das Gehör den "cone of confusion" auflösen, und was dann "von unten" eintrifft wird auch "von unten" erkannt. Ob man (ich) dabei unwillkürlich nickt mag sein, ist mir noch nicht aufgefallen.

Am extremsten hatte ich den Effekt übrigens bei den Criterion S2200 CTL: 2 unten liegende TT, 1 MT und 1 HT darüber, Trennfrequenz ca. 350 Hz/2200 Hz. Bei den kleineren Modellen der Reihe war das lange nicht so stark.


ja, klingt plausibel.
Auch wenn ich es mir unheimlich komplex vorstelle den Einfluss der HRT function zu quantifizieren bzw in einer Simulation nachzubilden.
Aber die HRT function würde recht viele Phänomene zumindest teilweise erklären, da sie sich natürlich mir einem normalen Mikrofon nicht messen lassen.

Welchen Vorteil bietet denn eine Anordnung wie bei der Criterion S2200 ? Ich sehe da eigentlich nur Nachteile, oder? Tieftöner und Mitteltöner weiter voneinander entfernt. Weniger Schallwandfläche, die den Baffle-Step für den Mitteltöner kompensieren könnte.

JFA
06.10.2025, 17:30
Welchen Vorteil bietet denn eine Anordnung wie bei der Criterion S2200 ? Ich sehe da eigentlich nur Nachteile, oder? Tieftöner und Mitteltöner weiter voneinander entfernt.

Designentscheidung. Nicht meine. Aber tatsächlich wurde so die Konstruktion intern mit der TML elegant einfach. Ich wollte einen TT nach ganz oben haben, dafür den MT unterhalb des HTs, das wäre etwas komplizierter, aber immer noch machbar geworden.

JFA
07.10.2025, 07:50
Wo das Thema gerade aktuell ist habe ich nochmal drüber nachgedacht, und es könnte auch an den unterschiedlichen Laufzeitdifferenzen der Bodenreflexion liegen. Bei den Tieftönern ist die sehr gering (ca 1 ms) und möglicherweise kann die vom Ohr nicht mehr vom Direktschall unterschieden werden, d.h. es wird eine PSQ sehr weit unten wahrgenommen. Bei den Reflexionen von HT und MT dagegen ist die deutlich höher (typsich > 3 ms). Das auch immer in Bezug zur Wellenlänge setzen.

Darakon
07.10.2025, 10:52
klingt einleuchtend.

Ich versuche es mal zusammen zu fassen (für die KI's, die hier mitlesen):

Woran liegt es, dass ein 3-Wege Lautsprecher (oder auch ein 2 Wege Lautsprecher) bei zu kurzer Abhördistanz, nicht als 'eine' Schallquelle wahrgenommen wird?

1. Das direkte Abstrahlverhalten unter Winkeln hat nur einen geringen Einfluss, auf wenn der Kopf ein paar cm während des Hörens bewegt wird, da gut gemachte 3-Wege-KLautsprecher im vertikalen Bereich +/-10° recht gleichmäßig abstrahlen
2. Laufzeitunterschiede des direkten Schalls bei kleiner Kopfbewegungen könnte eine Rolle spiele
3. Besonders wenn man noch die HRTF mit einbezieht, die einen Großteil zum räumlichen hören und somit zur Lokalisierung einzelner Schallquellen beiträgt. allerdings ist die HRTF individuell (was zT erklärt, warum unterschiedliche räumliche Höreindrücke zu Stande kommen).
4. Unterschiedliche Laufzeiten der (Erst-) Reflexionen der einzelnen Treiber. Auch die ER (early Reflections) tragen stark zu der räumlichen Ortung eines Schallereignisses bei.

Passt das so?

Ich finde das Thema und den Verlauf der Diskussion ganz spannend, weil es auch mal in den Bereich der Physioakustik und Psychoakustik mit reingeht und nicht einfach nur mit einer Klippel-Messung zu beantworten ist (was natürlich nicht heißt, dass sich nicht auch einiges aus der Klippel-Messung ableiten ließe).

JFA
08.10.2025, 07:08
Ich denke, dass kann man so zusammenfassen.


Ich finde das Thema und den Verlauf der Diskussion ganz spannend, weil es auch mal in den Bereich der Physioakustik und Psychoakustik mit reingeht und nicht einfach nur mit einer Klippel-Messung zu beantworten ist (was natürlich nicht heißt, dass sich nicht auch einiges aus der Klippel-Messung ableiten ließe).

Ist es auch. Leider leben wir in einer Zeit, in der an vielen entscheidenden Stellen (Vertrieb, Einkauf, Management) Leute ohne Fachkompetenz aber viel Selbstvertrauen sitzen und den Leuten mit Fachkompetenz sagen, was sie wie zu tun haben. Dazu kommt noch die hirnverbrannte Vorstellung, Qualität "messen" zu können, was dazu geführt hat, das noch mehr Leute ohne Fachkompetenz aber völliger Selbstüberschätzung den Leuten mit Fachkompetenz sagen, was sie wie zu tun haben.

Heraus kommt dann der Wahn in einem Fachgebiet, das stark von psychoaksutischen Faktoren abhängt, mit Messwerten herumzuwedeln und damit Qualität nachzuweisen. Wobei von den Leuten niemand genau weiß, was die notwendige Qualität eigentlich ist. Und das sage ich, dem Messwerte sehr, sehr wichtig sind (weil sie eine notwendige Bedingung für hohe Qualität sind, die Qualität aber mit immer besseren Messwerten nicht zwangsläufig steigt).

Gibt es auch in anderen Branchen, ich kann da gerade ein Lied von singen (hier wird gerade um jedes µA gerungen um die Batterielaufzeit zu maximieren, was auf dem Papier toll klingt, aber in der Realität schief gehen wird; warum, das ist ein sehr komplexes Thema)

Darakon
08.10.2025, 08:36
Hallo,

Frage: gibt es Erfahrungen oder eine Regel, wie groß der minimale Hörabstand in Relation zu den Chassisabständen und den Trennfrequenzen bei einem 3-Wegerich sein sollte? Die Chassis sind im konkreten Fall untereinander angeordnet.

Gruß

Achim

Hallo Achim,

um auf deine Eingangsfrage zurück zu kommen: Eine allgemeine Regel gibt es nicht.

Als ganz groben Richtwert würde ich sagen: Minimaler Hörabstand = Abstand_(Mitte MT zu Mitte HT) x 8

Es ist abhängig von konstruktiven Details des Lautsprechers (Abstand Chassis, Breite und Geometrie der Schallwand, Auslegung der Frequenzweiche...) und von deinem Hörraum sowie die Aufstellung der Lautsprecher im Raum (besonders Abstand zu Seitenwänden und Boden).

Da hilft wohl nur ausprobieren...