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Archiv verlassen und diese Seite im Standarddesign anzeigen : Vd realisiert durch große Treiber vs. durch viele kleinere



Azrael
28.08.2023, 20:41
​Ich habe im diyaudio-Forum neulich eine interessante und auf den ersten Blick auch irgendwie einleuchtende Erklärung gefunden, warum ein großer Treiber mehreren kleinen - beides mit insgesamt gleichem Vd - möglicherweise überlegen ist. Leider habe ich keinen Link parat, den liefere ich nach, sobald ich das wiederfinde.

Die Sicke eines Lautsprechers ist ja zum Teil als schallabstrahlenden Fläche Sd anzusehen. Wieviel die Sicke zu Sd beiträgt, variiert aber wohl je nach Betriebszustand des Treibers, eine von so einigen Ursachen für Verzerrungen.

Viele Treiber gegenüber einem einzelnen haben außerdem ja im Verhältnis zur eigentlichen Membranfläche ziemlich "viel Sicke". Sd müsste also bei vielen kleineren Treibern stärker oszillieren, als bei einem großen.

Nebenbei: Purifi versucht mit seinen ja ziemlich bzarr geformten Sicken wohl übrigens, eben jenes Oszillieren von Sd zu vermeiden.

Was haltet ihr davon? Ist da was dran?

Viele Grüße,
Michael

Franky
28.08.2023, 21:05
Gegenargument ist die Raduno mit den sechs konzentrisch angeordneten Treibern. Klirr ist extrem gering genau da wo die sechs arbeiten. Noch Fragen ? Ich würde genau das Gegenteil behaupten.

https://www.hifitest.de/test/lautsprecherbausaetze/monacor-raduno-5052

https://www.hifitest.de/images/testbilder/big/monacor-raduno-lautsprecherbausaetze-14717.jpg
(https://www.hifitest.de/test/lautsprecherbausaetze/monacor-raduno-5052)

Azrael
28.08.2023, 21:23
Wenn ich mich recht erinnere, ging es dabei um den Bassbereich, bei dem durch die da auftretenden Hübe die Oszillation von Sd (wenn sowas denn tatsächlich nennenswert passiert) deutlich höher sein dürfte. Sorry, das hatte ich vergessen zu erwähnen. :o

Bei der Raduno dürfte der Hub der zahlreichen Mitteltöner ja ausgesprochen gering sein, so dass da der Effekt so gut wie gar keine Rolle spielen dürfte.

Viele Grüße,
Michael

Franky
28.08.2023, 21:33
Man kann das ja messen und das sollte man dann auch tun. Purifi muss wie viele auch zuvor ja diese Sickenform verkaufen. Gibt aber auch viele andere Tricks wie man Sickenresos usw. vermeiden kann. Fostex hat sie z.B. einfach mal weggelassen. Ich habe da alte Goodmans Achromat mit gürtelfömigen Sicken aus den 80er Jahren. Super geil klingende Lautsprecher.

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Swany
29.08.2023, 00:28
@ Azrael

Tjoa, mit meinem fundierten Halbwissen würde ich mal raten, dass es aber auch nur bis zu einer bestimmten Treibergröße eine gewisse Relevanz hat. Da ja mit zunehmender Größe, dann auch weniger Hub für eine bestimmte "Tiefe" der Frequenz ausgeführt werden muss. So du ja auch schon beschrieben hast. Spannend wäre hier in Erfahrung zu bringen bis wie weit, also an Treibergröße man hier negative Effekte beobachten kann. Also so gesagt, gibt es genau die gleichen negative Auswirkungen bei einem 6 Zöller, wie bei einem 4 Zöller, wenn der 60 oder 50 hz wiedergeben soll und dann nocheinmal weniger (vermutlich) je Größer einfach die Membran ist oder ist das "nur" vom Motorsystem und (echtem) linearen Hub abhängig. Oder ist hier gar, keine Relation feststellbar?

Könnte man jetzt noch weiterspinnen, wie sich ein 6 Zöller, zu einem 8'ter, der zu einem 10'ner usw. verhällt, vorausgesetzt alle sind sauber auf die gleiche Frequenz abgestimmt. Wobei natürlich um deinem Gedankenspiel zu folgen, man ja schon einen 21'iger auffahren muss, um den mal eben vier 10 Zöller von der Fläche her gleichsetzen zu können. Weshalb ich meinte, vielleicht nur zu einer bestimmten Größe, denn ab irgendwann ist es einfach nicht mehr baubar oder praktisch. (jaja ich weiß es gibt auch 50 Zöller)

Wenn ich noch ein wenig mehr drüber nachdenke, kommt auch mal gleich die Frage auf, wie es sich denn auch mit den unterschiedlichen Sickentypen verhält, denn es gibt meines Wissen, echt wenig "große" Treiber, die mit einer einteiligen Sicke unterwegs sind. Also so ab 15 Zoll plus. Wenn dann eher noch im Autobereich oder in Nischen. Aber in der Regel sind ja hier eher Multiroll-Sicken am Start, die zwei oder mehr Rollen haben. Aber sind hier nicht auch bei Leude unterwegs im Forum, die auch schon mal selber Treiber designt haben, vielleicht mag ja mal einer aus dem Nähkästchen plaudern :rolleyes:.

Gruß Swany

JFA
29.08.2023, 06:55
​warum ein großer Treiber mehreren kleinen - beides mit insgesamt gleichem Vd - möglicherweise überlegen ist. Leider habe ich keinen Link parat, den liefere ich nach, sobald ich das wiederfinde.

Wenn im HiFi irgendwo was von "überlegen" philiosophiert wird...
Polyprop ist Löschpapier "überlegen", Alu ist PP "überlegen", Keramik/Diamant/Beryllium sind sich untereinander und sich selber "überlegen".
In was denn, bitte?

Und dann kommt jemand neues wie Purifi um die Ecke, salbadert irgendwas neues und der gemeine Hifienthusiast springt natürlich sofort darauf an, ohne groß über die Signifikanz nachzudenken.

Genug gerantet, jetzt zu den ernsten Dingen des Lebens.


Die Sicke eines Lautsprechers ist ja zum Teil als schallabstrahlenden Fläche Sd anzusehen. Wieviel die Sicke zu Sd beiträgt, variiert aber wohl je nach Betriebszustand des Treibers, eine von so einigen Ursachen für Verzerrungen.

Viele Treiber gegenüber einem einzelnen haben außerdem ja im Verhältnis zur eigentlichen Membranfläche ziemlich "viel Sicke". Sd müsste also bei vielen kleineren Treibern stärker oszillieren, als bei einem großen.

Wir hatten das neulich schon, die Abhängigkeit von Sd von der Auslenkung, also Sd(x), ist real, ja, aber wie viel macht das aus? Ich habe mir darüber noch kein abschließendes Urteil gebildet, aktuell rangiert es irgendwo auf den hinteren Plätzen, soll heißen: wenn man es perfekt machen will, dann kümmert man sich darum. Wenn man den Rest nicht perfekt hinbekommt, braucht es das auch nicht. Begründung dafür: Historie. Seit der Erfindung des elektrodynamischen Lautsprechers hat sich nie jemand ernsthaft dafür interessiert, also waren wohl andere Probleme wichtiger. Die imho immer noch nicht gelöst sind, auch nicht von Purifi.

Angenommen, man sieht das als Problem an, dann sind natürlich kleine Treiber bei gleicher Auslenkung und - ganz wichtig - gleichem Auslenkungsvermögen stärker davon betroffen als große. Einfach weil das Auslenkungsvermögen die Breite der Sicke vorgibt und das Verhältnis aus Sickenfläche zu Sd bei kleinen Treibern größer ist.

Es gibt noch einen weiteren Punkt, der für größere Treiber spricht: aus mechanischen Gründen ist in deren Körben üblicherweise mehr Platz für eine große Zentrierspinne, und die arbeitet dann weniger progressiv als eine kleine. Das macht aber nur Verzerrungen im Bass, praktisch keine IMD, und ist daher ziemlich uninteressant. Die Sicken"modulation" macht dagegen theoretisch IMD.

Demgegenüber stehen natürlich auch handfeste Vorteile bei kleinen Membranen:
- deren Frequenzgang ist üblicherweise "besser", Resonanzen sind weiter oben, insgesamt ist er weiter ausgedehnt
- durch die Verteilung der Treiber lässt sich das Abstrahlverhalten beeinflussen, das Abstrahlverhalten des einzelnen Treibers ist viel breiter als das eines großen

Das halte ich für deutlich stärkere Argumente für kleine Treiber als die möglicherweise höheren Verzerrungen gegenüber großen Treibern. Was mich natürlich nicht davon abhält einen großen Treiber einzusetzen, wenn es die bessere Wahl ist.

Franky
29.08.2023, 08:01
Begründung dafür: Historie. Seit der Erfindung des elektrodynamischen Lautsprechers hat sich nie jemand ernsthaft dafür interessiert, also waren wohl andere Probleme wichtiger. Die imho immer noch nicht gelöst sind, auch nicht von Purifi.

Das würde ich so nicht stehen lassen. Es gab in der Historie der dynamischen Lautsprecher diverse Entwicklungen der Randeinspannungen. Angefangen von den Phenolic Spinnen bis hin zu den krudesten Gummisicken. Ted Jordan z.B. setzte in seiner Zeit bei Goodmans viel Entwicklungsarbeit in diesen Bereich. Bekanntestes Chassis ist wahrscheinlich der Goodmans Axiom 80 Breitbänder wie auch das Jordan Watts Modul und die späteren Fullrange Typen mit Alumembran.. Es wurde auch viel mit der Kontur der Sicken experimentiert- insbesondere der Übergang von Membran zur Sicke wurde da ins Auge gefasst. In den 80er Jahren war da ein Coating um den Übergang anzupassen ein probates Mittel. Kurt Müller hat ja ein sehr breites Angebot der unterschiedlichsten Sicken mit unterschiedlichsten Konturen und Federraten. Celestion hat bei den Nachfolgern der SL-600 wie z.B. der SL-700 auch spezielle Sicken verwendet die aus zwei unterschiedlichen Materialien bestehen die in der Mitte der Sicke zusammengeklebt sind. Das auf die Sicken kein Augenmerk gelegt wird kann ich so nicht bestätigen.

JFA
29.08.2023, 08:30
Ich meint nicht Sicken im Allgemeinen, sondern im Speziellen die Geschichte mit der Modulation der effektiven Membranfläche. Ich wüsste nicht, dass sich vor Purifi da irgendwer groß drum gekümmert hätte. Vielleicht Fostex, die hatten mal ähnliches, und 18sound auch (siehe vorherige Diskussion in anderem Thread). Aber es ist nie groß an die Glocke gehängt worden.

Dass an Sicken unheimlich viel herumexperimentiert und herumphilosophiert wurde ist klar, dass ist ja ein enorm wichiger Baustein für die Funktion eines Chassis.

Spatz
29.08.2023, 21:34
Mal ganz grob überschlagen:
Eine Membran mit 13cm Durchmesser hat 133cm².
Mit 0,5cm Sicke rundherum sind wir bei 14cm und 153cm².
Das sind ca. 15% mehr an Fläche.
Wenn wir nun mal aber davon ausgehen, dass die Sicke maximal 10% von der Bewegung der restlichen Sicke abweichen kann (mehr sollte schon allein mechanisch schwierig werden), dann wäre die maximale Varianz in der Membranfläche bei plusminus 10% von 15%, also bei plusminus 1,5%.
Außerdem ist davon auszugehen, dass diese Störung als Amplitudenmodulation auftritt (da sich die Schallabstrahlende Fläche verändert), und dass sich diese Amplitudenmodulation nur auf tiefere Frequenzen (für das Chassis) auswirken, da die Membran den Membranrand zu höheren Frequenzen hin gegenüber der Schwingspule auskoppelt.

Insgesamt betrachtet haben wir also eine (für das Gehör nicht ganz so schlimme) Amplitudenmodulation, die im für das Gehör unempfindlicheren Tieftonbereich auftritt, und auf einen einstelligen Prozentbetrag beschränkt ist (was durch das logarithmische Lautstärkeempfinden noch weniger schlimm sein dürfte).

Ich würde mir also über diese Thematik nicht allzu viel den Kopf zerbrechen.

Davon abgesehen gibt es auch einige Stimmen, die sagen, mehrere kleine seinen einzelnen großen Membranen vorzuziehen, siehe z. B. die ÖRPZ-Fraktion. Dabei wird aber nicht über die Sicke argumentiert, sondern über Membranstabilität und Antrieb.

PS: Und man darf natürlich auch nicht vergessen, dass das Auge mithört. Einem 38er im Raum traue ich rein optisch mehr Bass zu als vier 20ern, auch wenn die Membranflächen ähnlich sind.

ArLo62
30.08.2023, 06:58
Naja, wenn man sich den oben angegeben Hinweis auf den K+T Beitrag mit der visuellen Darstellung der Sickenresonanz des BG20 anschaut, kann ich das Interesse an dem Thema schon verstehen. Das sieht schon krass aus.

JFA
30.08.2023, 07:21
Nette Überschlagsrechnung. Allerdings: 5 mm breite Half Roll ist für höchstens 6 mm* Hub gut, also einigermaßen wenig. Danach ist die Sicke voll gestreckt und bremst ziemlich hart ab.
Außerdem würde ich eher eher eine worst case Rechnung machen, also die Sicke wird zu 100% moduliert. Das kann man sich immer noch schönrechnen. In dem Fall kommt man auf einen Modulationsgrad von 0,07 ([153-133] / [153+133]) bzw -23 dB IMD.

Nehmen wir mal 12 mm Hub an, dann muss die Sicke ca 10 mm breit sein, also 177 cm². Dann ist der Modulationsgrad 0,14 und die IMD -17 dB. Das ist nicht mehr wenig, aber ich glaube selbst dann noch voll maskiert (großer Hub = tiefe Frequenz, also die IM-Produkte relativ nah am Träger). Und in dem Fall - Sicke voll gestreckt - gibt es gravierende Probleme mit dem Hörerlebnis (pock-pock) als IMD :D